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■ Rosen, Küsse und Polonaisen beim 27. Deutschen Schlagerfestival in den Niederlanden, das von Kerkrade nach Groningen umgezogen ist
A 7 Richtung Groningen, Abfahrt Zuidbroek. Ein großer Pinguin auf dem Dach, daran würde ich das Hotel Van der Falk erkennen, hatte man mir am Telefon gesagt. Ein unnötiger Hinweis, wie sich herausstellt. Polizisten leiten den Verkehr auf den großen Parkplatz der Eurohal hinter dem Hotel. Seit über einem Monat ist das Schlagerfestival ausverkauft, siebentausend Menschen sind angereist. In der Eingangshalle herrscht Volksfeststimmung. Bei Bier und Patat stimmen sich die Schlagerfans auf den Abend ein. Die Niederländer sind eindeutig in der Überzahl. „Deutsche Schlager sind einfach schön, moj,“ sagt eine rothaarige Mittvierzigerin und prostet mir zu. Deutsch versteht sie nicht, aber „maakt niets uit“, mitsingen wird sie trotzdem, und außerdem ist es hier so „gezellig“. Und dann seien ja auch niederländische Stars dabei, Frans Bauer und Jan Smit, der Heintje der 90er. Ja, und natürlich Dennie Christian.
Wer ist Dennie Christian? Wir erinnern uns. 1974, Rosamunde, schenk mir dein Herz und sag ja, sang der gerade 18-Jährige und eroberte damit die Hitlisten und die Herzen so mancher Teenies und ihrer Mütter. In Deutschland ist Dennie Christian heute ein wenig in Vergessenheit geraten, doch in den Niederlanden kennt den sympathischen Lockenkopf jedes Kind. Dort hat der 45-Jährige, der in der Nähe von Oldenburg wohnt, eine eigene Fernsehshow. Seit 1983 präsentiert er das Schlagerfestival in den Niederlanden, neun Jahre später übernahm er auch die Organisation. Zwanzig Interpreten hat er in diesem Jahr zusammengetrommelt, von den Schlagerikonen der Siebziger bis zu Vertretern der „neuen deutschen Schlagerwelle“ der Neunziger wie Nino de Angelo oder Matthias Reim.
Bitte Platz nehmen, mahnt eine Stimme aus dem Lautsprecher um kurz vor acht, denn vor Beginn der Show muss noch geübt werden. Schließlich ist das Fernsehen da. „Dames en Heeren, Dennie Christian“ brüllt der Vorturner auf der Bühne, beim dritten Mal ist er mit dem Klatschpegel zufrieden. Dabei wirkt das Ganze überhaupt nicht einstudiert, die Stimmung im Saal ist ohnehin fantastisch.
„Gezellig eben“, findet auch Henk aus Groningen. „Und guck mal, was für Leute. Hier siehst du alle Bevölkerungsschichten, vom Bürgermeister bis zum Müllmann“. Und alle Altersgruppen. Familien mit Kindern, Bier trinkende Jungmännercliquen, betagte Damen, elegant gekleidet, zwischen kurz berockten jungen Mädchen. Bewaffnet mit Rosen, den Eintrittskarten für einen kleinen Moment im Rampenlicht. Rosen für die Stars, Küsschen rechts und links; nach jedem Auftritt drängeln sich die zumeist weiblichen Fans auf der Bühne. Die Stars ertragen's mit Geduld. „Küsschen ist schön, dank u well,“ versucht sich, „Partykönig“ Olaf Henning auf Niederländisch. Chris Roberts küsst auch, aber nicht die Fans sondern publikumswirksam seine blonde Frau Claudia, mit der er das erste Lied gemeinsam singt. „Bleib noch hier“ heißt es, aber sie geht und überlässt ihn seiner Vergangenheit. „Du kannst nicht immer 17 sein“, singt Chris Roberts und das Publikum klatscht mit.
Mit einem Medley aus den Siebzigern beginnen auch Cindy und Bert ihren Auftritt. „Spaniens Gitarren“ und natürlich „Immer wieder sonntags“, und auch die rothaarige Mittvierzigerin singt mit. Dibbedibbedibbdibb dibb. Vor der Bühne tanzen sie inzwischen Polonaise und bringen die Kamerateams des WDR und des niederländischen Fernsehens zur Verzweiflung. „Seit Jahren geht das so,“ erzählt mir Cindy Berger nach dem Auftritt. „Sie springen auf und tanzen und feiern, in Deutschland wäre das undenkbar.“ Fünf Stunden dauert das Volksfest. Zum großen Finale kommen sie alle noch einmal auf die Bühne, Chris und Claudia, Cindy und Bert, Costa und Freddy, und all die anderen. Und während 7000 Schlagerfans sich auf den Heimweg machen, geht hinter der Bühne die Party erst richtig los. Jetzt feiern und tanzen sie selbst, die Stars des 27. Schlagerfes-tivals. Bei Kerzenlicht und Rockmusik. Kristin Hunfeld
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