berliner szenen: Beauty Bake
Nichts passiert
Neben dem „Profi-Solarium und Nagelstudio“ in der Driesener Straße hat endlich die kleine Bäckerei wiedereröffnet. „Beauty Bake“ heißt der Laden jetzt. Der neue Pächter beglückt das erlauchte Kiezpublikum auch sonntags mit „internationalem Gebäck“. Auf großen Reklametafeln leuchten dem Passanten lasziv solariumgebräunte Croissants, Brötchen und Brezeln entgegen. Trotz der globalen Katastrophen bleibt im nördlichen Prenzlauer Berg das Leben ein langer, ruhiger Fluss. Schon weit vor dem elften September hat jemand auf eine einsam herumstehende Gabelstaplerpalette gesprayt: „Terror bitte hier abladen. Danke.“ Bis heute ist nichts passiert. Nur die Schivelbeiner Straße ist komplett aufgerissen worden. Irgendwann einmal wird der Autoverkehr ungehindert von den Schönhauser-Allee-Arkaden zum Gesundbrunnen-Center in Wedding fließen können. Bis dahin stört nur das Gebell der kläffenden Hunde die Bücherleser auf dem Arnimplatz. Feuerrot und prall verschwindet über ihren Köpfen jeden Abend die Sonne in Richtung Westberlin. Die Brücke, die unser Viertel mit dem Nachbarbezirk verbindet, wird erst in ein paar Jahren fertig gebaut. Im Schaufenster des Antiquariats an der Ecke liegen derweil noch die Reste einer kleinen Feier. Auf grünem Krepppapier werden Trinkgläser und eine Wodkaflasche von einem DDR-Wimpel umhüllt. Der Antiquar hat auch in diesem Jahr die Nachbarn eingeladen, „ganz zwanglos“ den Jahrestag der DDR-Gründung zu begehen. Der Handel treibende Bücherfreund ist ein eminent politisch denkender Mensch. An seinem Briefkasten hängt ein Schild mit der Aufschrift: „Stop – keine Werbung! Die Zukunft unserer Kinder ist wichtiger als Postwurfsendungen.“ ANSGAR WARNER
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