: Hallo Sauertopf
Wo ist er hin? „Typisch Mark E. Smith“: Der Gott, der Punk rocken ließ, bespielte mit seiner Band The Fall das Maria
Mark E. Smith ist ein blasser, ausgemergelter Misanthrop und ein Arschloch zum Knuddeln. Mark E. Smith ist ein Punkrock-Gott. Wenn so einer kommt, einer mit Legendenstatus im Quadrat, wollen natürlich alle hin. Warum das Konzert von The Fall dann in der Maria statt finden musste, bleibt mehr als unverständlich: Ein Champignons-League–Spiel zwischen ManU und Bayern München findet ja auch nicht auf dem Acker von Blauweiß-Bayreuth statt. War ja wohl klar, dass das Konzert hoffnungslos ausverkauft sein würde.
Nun gut, volles Haus sorgt für Stimmung. Es ist schon erstaunlich, wie nach über 20 Jahren der Mark-E.-Smith-Effekt immer noch zündet. An der Musik kann es nicht liegen, dass er noch nicht unter „trauriger Altpunk“ abgelegt wird. Zwar gibt es ständig neue Platten und manchmal tut sich sogar was und es wird sogar experimentiert, doch: Kauft sich die neue Platte von The Fall noch irgendjemand?
Der andauernde Reiz von The Fall liegt wo anders begründet. Darin, dass hier jemand exzentrisch und egomanisch sein Ding durchzieht, auch für fünf Millionen Pfund nicht bei „Top Of The Pops“ auftreten würde und auch dann vor sich hingrummelt, wenn niemand zuhört: „Corporate Rock sucks!“ Der langweilig gewordene Popzirkus braucht einen wie Mark E.Smith, weil wenigstens der nicht langweilig ist.
Natürlich erwartete man vom Meister, schlecht gelaunt zu sein, eine halbstündige Pinkelpause einzulegen oder wenigstens das Publikum zu beschimpfen. Zumindest der Gesichtsausdruck von Mark E. Smith konnte völlig befriedigen. So eine Sauertopffresse ziehen andere, wenn sie gerade erfahren, dass ihr Herzblatt die zwölfjährige Beziehung aus heiterem Himmel beenden möchte. Eskapaden gab es trotzdem keine: Einzig beim urplötzlich gemurmelten „back in five minutes“ ging das Getuschel los. Was hat er gesagt? Wo ist er hin? „Typisch Mark E. Smith.“
Seine Auftritte in Berlin zeichneten sich in jüngster Zeit eindeutig durch mehr Extravaganz aus als dieses Konzert. Vor ein paar Jahren spielten The Fall an Heiligabend ihren legendären Christmas-Gig in der Volksbühne und jüngst trat der passionierte Kauz alleine in der Buchhandlung pro qm zur Spontanperformance an, von der die, die dabei waren, noch heute schwärmen. Dieses Mal war es einfach nur ein gutes Rockkonzert. Die Jungs von der Band, die so weit von der Originalbesetzung entfernt sind wie der Fall-Sound von Minimal-House, machten ihre Sache gut. Sie rockten den Laden. Der Gitarrist dirigierte das Publikum und man merkte, dass er stolz war, Teil dieser Band sein zu dürfen. Teil einer Band, vor der ihn schon seine Eltern gewarnt hatten. ANDREAS HARTMANN
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