montagsmaler Die multikulturelle Küchengesellschaft: Chinesisch prosten beim Sushi-Rollen
Selten wird offenes Feuer in geschlossenen Räumen geduldet. Einer der wenigen Fälle, wo das anders ist, heißt Fondue. Freitagabend, die Gäste kommen in einer halben Stunde. „Sag ihm, er soll Brennpaste mitbringen!“ „Could you please bring Brennpaste, äh burning paste?!“ Die Gäste sind da. Die Pastenpackung enthält drei Portionen. Der Größe und dem Aussehen nach könnte das auch Katzenfutter sein, ein nahrhaftes Gelee aus Bioalkohol für eine feurige, rotfellige Katze aus der Hölle. Wenn der Pot auf dem Tisch steht, dampft und brodelt, Spieße und Drahtnetze verteilt sind, kann von allen Seiten Zeugs hineingeworfen werden: Pekinggemüse, Wels, Barsch, Muscheln und geviertelte Babyauberginen.
Dazu gibt es Sushi in rauen Mengen. Die Herstellung ist eigentlich ein Kinderspiel: Es kommt nur auf den Reis an. Der muss gewaschen und gewässert werden, dann eine Stunde ruhen. Der Kochvorgang besteht aus drei verschiedenen Phasen mit unterschiedlicher Hitzezufuhr, die empfindlich genau eingehalten werden müssen. Es ist empfehlenswert, den Deckel mit einem Band, vorzugsweise einem dünnen Stahlseil auf dem Topf festzubinden. Dann, nachdem er nicht angebrannt ist, sondern wie ein weißes, weiches Kissen unter dem Deckel ruht, muss er gleichzeitig gefächelt, gepflügt und mit einer Mischung aus Reisessig, Zucker und Salz aromatisiert werden. Gut hat’s, wer da nicht alleine ist.
Mit mehrfach angefeuchteten Händen wird der Reis auf den Noriblättern verteilt: eine klebrige Matte, versiegelt mit grünem Meerettich aus der Tube, auf die man alles legen kann: Avokado, Fisch und Fischimitat, Gurkenstreifen, gehobelte Möhren, Salzstangen, Brausepulver. Gerollt ist das Ganze dann immer massiver als man es kennt. Sake lässt sich im Wasserbad, am besten in einem Spargeltopf erwärmen. Als ich mit der flambierten Ananas aus der fremden Küche zurückkomme, behauptet jemand: „Wir hatten noch Schiefertafeln in der Schule.“ Generation Schiefertafel, denke ich und gehe zurück, um die gepfefferte Himbeersauce und den warmen Reiswein zu holen. „Nein, das war keine altbacken ‚freaked-out Museumsschule‘, das war Baden-Württemberg!“ setzt sich die Konversation fort.
Es stellt sich heraus, dass auch in Frankreich bis in die Siebzigerjahre Schiefertafeln in Gebrauch waren. Kopfschütteln. Was heißt Prost auf Chinesisch? Ni hao? Tsing Tao? Wir wissen es nicht. Aber ich kenne eine unendlich brauchbare Frage, die man sich während eines Chinaaufenthalts pausenlos stellen kann: Wo xiang he cafe ma? Möchte ich einen Kaffee trinken? Ich möchte. Und dann möchte ich nach Hause.
In der Nacht von Freitag auf Samstag kreisen meine Träume um Theaterproben (Rowdies stehlen mein Kostüm) und Restaurants (halsbrecherische, unbegehbare Treppen führen hinab in die Stube einer Steiermarker Gaststätte). Der nächste Morgen gilt Unternehmungen, die man unter nicht samstäglichen Umständen gar nicht in Angriff nehmen kann, wie dem Ausgleichen des Benutzerkontos bei der benachbarten Stadtbücherei, dem Einkauf von unmöglichen Dingen, zu denen Salz, Kaltwaschmittel, Unterlegscheiben, Staubsaugerbeutel und Spülschwämme gehören. Zur Belohnung gibt es am Abend ein flinkes Kaninchen. Zwei Vorderläufe, zwei Hinterläufe und einen Rücken, in dem die Hasenrippchen wie Gräten eingelegt sind. Dazu einen 1995er Spätburgunder, glasierte Perlzwiebeln, die längsten dottergelben Nudeln, die ich je handhaben musste und eine gewürzschwere Sauce, in der sich Gänsefond und Rotwein mit getrockneten Tomaten und den befreiten Essenzen eines Kräutersträußchen um die besten Plätze streiten. Am Sonntag gibt es Chips. MONIKA RINCK
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