Der Kreis wird kleiner
: Silvio darf mit an den Tisch

aus Rom MICHAEL BRAUN

„Silvio im Kreis der Großen“ – einigermaßen verräterisch war der Titel, mit dem das Berlusconi-Blatt Il Giornale die Tatsache feierte, dass auch Italiens Ministerpräsident am Sonntag bei Tony Blair in London antreten durfte. Ist er nun ein Großer, weil er diesmal nicht draußen vor der Tür blieb, wie noch vor gut zwei Wochen, als sich Blair, Schröder, Chirac und Jospin in Gent am Rande des EU-Gipfels zum exklusiven Dreieckstreffen versammelten? Oder ist Berlusconi doch ein Kleiner, hinzugebeten bloß, weil auch der spanische, belgische und niederländische Regierungschef eingeladen wurden?

Spätestens seit Gent treibt Italiens Politiker die Frage um, ob ihr Land „in die Zweite Liga abgestiegen“ ist. Von rechts bis links lautete der Befund, Frankreich, Deutschland und Großbritannien seien dabei, der EU ein Dreier-„Direktorium“ zu verpassen. Zu unterschiedlichen Ergebnissen kam allerdings die Ursachenforschung. Die Mitte-links-Opposition sah nur einen Schuldigen: Berlusconi, der mit seiner „Unzuverlässigkeit“ Italiens Reputation verspielt habe. War nicht der erwogene Ausstieg Italiens aus dem Bau eines Militär-Airbus der Beweis, dass die neue Regierung wegen kleinlicher Finanzkalküle den Platz des Landes in Europa aufs Spiel setzte?

Berlusconi dagegen kannte andre böse Buben. Ein paar Artikel in FAZ und Spiegel gegen EU-Kommissionspräsident Romano Prodi gaben ihm Anlass zu einem überraschenden Schulterschluss unter Landsleuten: In Europa seien „Lobbys“ am Werk, denen es darum gehe, Italien herabzustufen.

Die grundsätzliche Frage, ob in Europa die nationalen Regierungen der stärksten Staaten oder die EU-Institutionen den Ton angeben sollen, war so kein Thema. In der EU-Reformdebatte glänzt Rom durch Abwesenheit. Nicht welches Spiel Europa spielt, bewegt Italiens Diplomatie, sondern allein die Frage, in welcher Position man dabei ist.

Und so trübte allein das plötzliche Gedränge an Blairs Tisch Berlusconis Freude: Richtig gelungen wäre ein intimes Diner zu viert gewesen, ohne Spanien, Holland und Belgien. Dies trübte dann doch Berlusconis Erfolg.