zuwanderungsgesetz: Verneigung und Bückling
Zweierlei gibt es über die Durchsetzungsfähigkeit grüner Politik zu berichten. Erstens: Die Grünen haben Bundesinnenminister Otto Schily beim geplanten Zuwanderungsgesetz einige wichtige Zugeständnisse abgerungen. Das ist erfreulich. Zweitens: Sie haben in der ausländerpolitischen Diskussion wenig erreicht. Ausländer gelten weiterhin als sicherheitspolitisches Risiko. Das ist ärgerlich.
Kommentarvon EBERHARD SEIDEL
Was als Widerspruch erscheint, ist schnell erklärt. Vor den Anschlägen vom 11. September hatte Schily eine beinharte Doppelstrategie verfolgt: Zugeständnisse an die Wirtschaft, Konzessionen an die Konservativen. Neben einer Öffnung der Grenzen für ökonomisch nützliche Einwanderergruppen sollte sein Gesetz genügend repressive Elemente enthalten, um die politische Rechte in ihrem Lebensmotto „Der Ausländer ist ein Sicherheitsproblem“ zu bestätigen. Damals hatten die Grünen kaum eine Chance, Otto Schily zur Heraufsetzung des Nachzugsalters für Kinder und zu Verbesserungen für Flüchtlinge nicht staatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung zu bewegen – profillos stünden die Grünen bei einem ihrer wichtigsten politischen Anliegen da.
Durch Bin Laden hat sich alles verändert. Nicht mehr das Zuwanderungsgesetz ist das politische Feld, auf dem Schily den Ängstlichen signalisiert: Wir tun was gegen ausländische Extremisten und politisch Unerwünschte. Stattdessen konzentriert er sich auf das Sicherheitspaket II. Mit ihm bekommt Schily – sogar mit dem Segen der Grünen – mehr, als sein und CSU-Chef Edmund Stoibers Herz je begehrten: Verschärfungen im Ausländergesetz und dem Asylverfahrensgesetz, den Ausbau des Ausländerzentralregisters und vieles mehr.
Mit den Verbesserungen im Zuwanderungsgesetz gönnt sich Schily eine kleine Verneigung nach links, mit dem Sicherheitspaket II einen tiefen Bückling nach rechts. Alle politischen Lager können zufrieden sein, konzentrieren sie sich bei ihrer Lektüre auf das ihnen jeweils angenehmere Gesetzespaket. Nur wer beide gemeinsam liest, wird die ihnen zu Grunde liegende Sicherheits-Philosophie erkennen: Von außen, vom Fremden kommt die Gefahr. Schilys Versprechen ist: Durch lückenlose Überwachung und Erfassung ist sie zu bändigen. Das schließt ein gleichberechtigtes Miteinander von Deutschen und Ausländern aus.
Von einem offenen Einwanderungsland sind wir weiter entfernt als vor Jahren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen