Erfurts große Tochter

Die Eisschnellläuferin Gunda Niemann-Stirnemann könnte kommende Saison Triumphe in der Gunda-Niemann-Stirnemann-Halle feiern

aus Erfurt MARKUS VÖLKER

Göran Pohl lacht, als hätte er einen guten Witz gehört. Dabei war es nur die Frage, wie er, der Architekt der Erfurter Eishalle, mit dem Namen für sein Werk zufrieden sei. In dieser Woche gehen die Eisschnellläufer erstmals auf die 400-Meter-Bahn. In sechs Wochen erfolgt die offizielle Taufe. Gunda-Niemann-Stirnemann-Halle wird der 27,5 Millionen Mark teure Neubau heißen. „Ob das richtig ist, kann man hinterfragen“, sagt Pohl, nachdem er sich wieder gefasst hat. „Ich akzeptiere aber die Namensgebung wegen der vielen Erfolge von ihr.“

Gunda Niemann lacht nicht, als sie gefragt wird, ob es nicht ein wenig unheimlich sei, ihren Schriftzug auf der Halle zu lesen. „Null, kein Ding, es gibt nichts dagegen einzuwenden“, erwidert sie. „Ich weiß gar nicht, was man Negatives von mir will. Ich mach mir da überhaupt keinen Kopf.“ Anstatt in Zweifel zu verfallen, plaudert sie drauf los, als ob sie aus einer Werbebroschüre für Thüringer Gastlichkeit und Lebensfreude zitiert. „Neues verpflichtet“, hört man. Auch auf „die Freude am Volkssport“ kommt sie zu sprechen. Der „Spaß am Eislaufen“ fehlt ebenso wenig wie das „Gehen mit der Zeit“. Gunda Niemann glaubt, alle in der Stadt hätten den Namen der Halle „komplett angenommen“.

Sportlern vor dem Karriereende ein derartiges Denkmal zu setzen, war bisher nicht üblich. Fritz Walter und Max Schmeling widerfuhr eine solche Ehre erst viele Jahre später. Doch kürzlich benannte die Kleinstadt Kerpen eine Straße nach dem Wagenlenker Michael Schumacher, Erfurt entsann sich der großen Tochter auf zwei Kufen. Kürzlich gab die 35-Jährige zwar ihre Schwangerschaft und den Verzicht auf Olympia 2002 in Salt Lake City bekannt, aber danach will sie weitermachen, versichert sie.

Gunda Niemann-Stirnemann könnte also 2003 in der Gunda-Niemann-Stirnemann-Halle aufs Siegerpodest steigen. Als die Nachricht in der Landeshauptstadt verkündet wurde, wehrten sich die Erfurter mit dem Witz, man solle auch noch ihren Mädchennamen Kleemann hinzuziehen, dann wäre der Klang perfekt. Niemanns Eislaufkollegin, Sabine Völker, sagt süffisant: „Niemann-Stirnemann allein finde ich wirklich ein bisschen blöd. Mit dem Mädchennamen hätte man den Schriftzug wenigstens um die ganze Halle legen können.“ Außerdem sage der Volksmund eh nur „Gunda-Halle“, alles andere sei viel zu umständlich.

Oberbürgermeister Manfred Ruge (CDU) war es offenbar zu wenig, Niemann zur Ehrenbürgerin der Stadt zu ernennen, er legte noch einen drauf. Ohne Gunda hätte es keine Halle gegeben, behauptete er. Somit gebühre ihr die Ehre. Sportsprecher Michael Panse räumt ein, in eine „schwierige Situation“ gekommen zu sein. „Wir wollten Herrn Ruge und Frau Niemann nicht im Regen stehen lassen.“ Die Abstimmung im Stadtrat ging mit 25 Jastimmen und 23 Neinstimmen aus. SPD (bis auf zwei Enthaltungen) und PDS votierten dagegen. Vehement ging die PDS gegen den „Personenkult“ an. Cornelia Nitzpon ist noch immer erzürnt über die Strategie von Ruge, der die Sportkommission einfach überging und ein Gremium zur Namensfindung gar nicht erst einberief. Zur Eröffnung im Beisein von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) am 21. Dezember erwägt Nitzpon einen Boykott. Die SPD bat in einem Schreiben an Oliver Stirnemann, Ehemann Niemanns und Geschäftsführer der „Gunda Niemann Werbeagentur GmbH“, um Verzicht zum jetzigen Zeitpunkt. Stirnemann aber schrieb zurück, ihn und seine Frau erfülle Ruges Vorschlag mit großem Stolz. Nicht zu unterschätzen ist überdies der Werbeeffekt, wenn die 4.000 Zuschauer fassende, von einer Bogenkonstruktion aus österreichischem Fichtenholz getragene Arena zum Vermarktungsobjekt in eigener Sache wird. Anfang Januar finden hier die Europameisterschaften statt.

Bei der Wahl zur Thüringer „Sportlerin des Jahres“ kam Seriensiegerin Niemann diesmal nur auf Platz zwei hinter der Biathletin Kati Wilhelm – ein Indiz der Unzufriedenheit. Durch Erfurt geht derweil ein böses Gerücht. Mit dem „Querschläger“, wie Niemann ihre unverhoffte Schwangerschaft bezeichnete, hätte sie für ein Ende der Diskussion gesorgt. Vielleicht stecke dahinter ein Kalkül. „Manchem in Erfurt ist nun erheblich wohler“, sagt CDU-Politiker Panse. „Das macht alles viel leichter.“