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Nicht Kinder, Gatten werden geholt

Bundesregierung stellt ihren zweiten Migrationsbericht vor: Immer noch gibt es weniger Einwanderung als zu Beginn der 1990er-Jahre. Deutschland liegt im EU-Vergleich nur auf Platz fünf. Zwei Drittel der Zuwanderer kommen aus Europa

von SUSANNE AMANN

Marieluise Beck (Grüne) macht es der Union nicht leicht: Denn in ihrem gestern vorgestellten zweiten Migrationsbericht entkräftet sie alle Argumente, mit denen die Union die Zustimmung zum neuen Zuwanderungsgesetz verweigern wollte. Dass die Christdemokraten einen Anstieg der Zuwanderung befürchten, ringt der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung nur ein müdes Lächeln ab: „Wenn man sich nüchtern die Zahlen anschaut, dann gibt es keinerlei Grund für das Gefühl, es gäbe eine Ausländerflut in Deutschland.“

Tatsächlich sind im Jahr 2000 knapp 649.000 Ausländer in die Bundesrepublik zugezogen, allerdings gab es auch 562.000, die ihr den Rücken gekehrt haben. Das Wanderungssaldo, also die Zahl der tatsächlich zugewanderten Menschen, beträgt somit 87.000. Deutschland liegt im europäischen Vergleich an fünfter Stelle nach Luxemburg, Irland, der Schweiz und Österreich.

Im Vergleich zum Beginn der 1990er-Jahre sei es zu einer „Beruhigung“ der Migrationsbewegung gekommen, so Beck, auch wenn man konstatieren könne, dass es eine relevante Einwanderung in die Bundesrepublik gäbe. Man müsse sich daher endlich von der Lebenslüge verabschieden, Deutschland sei kein Einwanderungsland.

Deutlich gesunken sind vor allem die Zahlen der Spätaussiedler und der Asylbewerber. Gab es 1992 mit 438.000 Asylbewerbern die höchsten Zahlen, beantragten im Jahr 2000 nur noch 79.000 Menschen Asyl. Auch die Zahl der Kriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina ging von ehemals 345.000 im Jahr 1996 auf nun noch 37.000 herunter.

Einen Teil der Wanderungsbewegung in Deutschland macht auch die so genannte EU-Binnenmigration aus, die mit 15 bis 20 Prozent der gesamten Migration seit einigen Jahren konstant blieb. Insgesamt stammen aber fast zwei Drittel aller Zuwanderer aus dem europäischen Raum.

Warum ausgerechnet das Nachzugsalter von Kindern beim Zuwanderungskompromiss eine so große Rolle spielte, kann Beck nicht so ganz verstehen: Zum einen liege der Anteil des Nachzugs bei unter 10 Prozent des Gesamtwanderungsgeschehens, und zum anderen seien es überhaupt nicht mehr die Kinder, die nachgeholt würden: In 76 Prozent der Fälle seien es die Ehepartner, und von denen seien es gut 40 Prozent Deutsche, die ihre ausländischen Ehepartner nachholten.

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