: Bergpredigt oder Realpolitik
Der Krieg macht die Kirchen ratlos: Dürfen Christen auf Terroristenjagd Bomben werfen? Militärbischof Mixa: Krieg bringt nur neues Unrecht
von BERNHARD PÖTTER
Das Argument hatte Gewicht: Mit einem Zitat des von den Nazis 1945 ermordeten Theologen Dietrich Bonhoeffer untermauerten gestern 14 Mitglieder der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) ihre Ablehnung der deutschen Beteiligung am Krieg in Afghanistan: „Die Kirche muss nicht nur sagen: Es sollte eigentlich kein Krieg sein“, zitierten die Pazifisten Bonhoeffer, „sondern sie sollte konkret sagen können: Geh in diesen Krieg oder geh nicht in diesen Krieg.“ Ihre Meinung ist klar: „Geht nicht in diesen Krieg!“
Diese Entscheidung zwischen Bergpredigt und Realpolitik diskutierten die Synodalen im bayerischen Amberg stundenlang. Denn eine Beteiligung deutscher Soldaten am Krieg in Afghanistan, den die Bundesregierung diese Woche beschlossen hat, war eines der Hauptthemen des Kirchenparlaments. Wie auch in der katholischen Kirche gehen die Meinungen quer durch alle Reihen und politische Lager: Müssen Christen sich diesem Krieg verweigern?
Ja, sagt die Bischöfin von Hannover, Margot Käßmann. „Es ist ein sinnloser Krieg und keine Bekämpfung des Terrorismus“. Sie mache weder Politikern noch Soldaten Vorschriften für ihre Gewissensentscheidung, aber „für mich ist das biblische Zeugnis eindeutig: Jesus ruft zu Gewaltfreiheit auf.“ Deshalb habe die evangelische Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg festgestellt, „Krieg soll nach dem Willen Gottes nicht sein.“
Auch die evangelische Friedensorganisation „Aktion Sühnezeichen“ ruft dazu auf, der „deutschen Beteiligung am Krieg die Unterstützung zu entziehen“, wie ihr Sprecher Johannes Zerger sagt. „Selbst die Befürworter einer Militäraktion bei uns meinen inzwischen, dass die Relation zwischen Zielen und Mitteln nicht stimmt.“ Sorge bereitet Zerger auch, „was mit dem antimilitaristischen Konsens der deutschen Gesellschaft passiert, wenn die Regierung sich zu einer solchen Beteiligung drängt“.
Theologisches Kriegsgeschrei erhebt sich nirgendwo. Doch der EKD-Ausschuss für Kirche, Gesellschaft und Staat gewichtet die Argumente in seinem Antrag für die Synode anders als die Pazifisten: „Militärische Mittel reichen zur Bekämpfung des Terrorismus nicht aus, nichtmilitärische aber auch nicht: Gewaltverzicht bekehrt Terroristen nicht.“ Ob sich ein Politiker oder Soldat für oder gegen den Krieg entscheide, „diese notwendige Gewissensentscheidung kann niemandem abgenommen werden“. Man werde auch schuldig, wenn man „das Anwachsen des Terrorismus ohne Gegenwehr hinnehme“, betonte der Synodale und CDU-Bundestagsabgeordnete Hermann Gröhe gestern.
In der katholischen Kirche hat der Afghanistankrieg die gewohnten Fronten durcheinander gebracht. Ausgerechnet der Militärbischof Walter Mixa hat sich wiederholt und deutlich gegen den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan gewandt. Er lehne die „Art der gegenwärtigen Kriegführung der USA und ihrer Verbündeten“ ab, sagte Mixa der Welt. Die Terroristen könnten „auf andere, wirkungsvollere Weise“ aufgespürt werden. Stattdessen zerstöre man ein armes Land: „So wird auf ein Unrecht ein anderes Unrecht draufgesetzt.“ Mixa, konservativer Nachfolger des streitbaren einstigen Fuldaer Bischofs Johannes Dyba, findet sich in einem Boot mit der katholischen Friedensbewegung Pax Christi. Deren Vizepräsident Johannes Schnettler erklärte nach den ersten angloamerikanischen Angriffen, es dürfe „keine Bomben auf Afghanistan geben, weil dadurch neues Unrecht geschaffen wird und die Spirale der Gewalt gefährlich wächst.“ Frieden gebe es nur durch Gerechtigkeit für alle, sagte Schnettler: „Dieser Frieden braucht keine Bomben.“
So deutliche Worte vermeidet der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann. Zwar sei jeder Krieg „ein Übel“, doch Deutschland müsse zu seinen Verpflichtungen stehen. Er vertraue darauf, dass Bundesregierung und Parlament die Argumente für den Einsatz der Bundeswehr sorgfältig abwägten. Bei einem Einsatz deutscher Soldaten müssten die „militärischen Aktionen regelmäßig auf ihre Verantwortbarkeit hin überprüft werden.“
Diese Skrupel hat der Weihbischof von Hamburg, Hans-Jochen Jaschke, nicht. Für ihn sind die Angriffe der USA „nicht blinde Rache, sondern eine Kulturleistung der Zivilisation, ein angemessenes Vorgehen gegen das Unrecht.“ Der „Zivilisation der Liebe“ müsse Raum geschaffen werden – „notfalls mit Gewalt“. Inzwischen ist Jaschke vorsichtiger, um seine Wahlchancen nicht zu schmälern. Denn am nächsten Wochenende wählt die katholische Friedensbewegung Pax Christi ihren Präsidenten – einziger Kandidat: Weihbischof Hans-Jochen Jaschke.
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