: Gitte singt gerne
■ Und will natürlich alles – zum Beispiel auch Jazzerin sein. Bremen erlebte ihr Debut
Sie hatte sich nicht wenig vorgenommen: Gitte Haenning, in früheren Zeiten hierzulande vor allem als Schlagersängerin mit Songs wie „Ich will 'nen Cowboy als Mann“ oder später „Ich will alles“ erfolgreich, eröffnete am Donnerstag in der Glocke ihre Tournee mit neuem Programm unter dem Titel „In Jazz“.
Es muss ihr ein echtes Anliegen sein, ihre Vergangenheit auf diese Weise zu relativieren, wirkte die im ersten Set in einen gigantischen roten Schal gehüllte Sängerin doch über weite Strecken erstaunlich nervös, entschuldigte sich dafür, keine Witze erzählen zu können, um darüber dann mädchenhaft zu kichern. Dabei hatte sie eigentlich schon recht bald ihr Publikum gewonnen, das die Glocke maßvoll füllte.
Dass die Messlatte für den Abend nicht unbedingt Jazz, Abt. „the real thing“ war, dürfte einsichtig sein. Zwar nahm die Sängerin bereits 1968 mit Francy Bolands Bigband ein Jazz-Album mit dem Titel „Out Of This World“ auf, dessen Songs , neben Kompositionen von Kurt Weill, Standards, Musical-Hits und ein paar Pop-Klassikern (Beatles, Paul Simon und andere) das Kernstück ihres aktuellen Sets bilden, aber es ging doch den meisten eher darum, eine Frau zu sehen, die sich von dem nicht selten als profan geltenden Schlagergenre emanzipieren will, als darum, ein Jazz-Konzert zu hören.
Ihre Rolle als Interpretin nahm sie, wie gesagt, sehr ernst. Allerdings wirkte vieles noch nicht eingespielt. Gitte sang die meisten Songs mit Noten vor der Nase, was einer konsequenten Durchgestaltung der Songs eher im Weg stand. Außerdem erwies sie sich in den hohen Lagen als nicht übermäßig flexibel – wie in Elton Johns „Your Song“, wo sie einige Intonationsschwächen offenbarte. Überzeugend war ihr Vortrag dann auch nicht zuletzt in Songs, mit denen sie eine sehr persönliche und lange Geschichte verband, wie das ihrem Vater gewidmete „Ol' Man River“ und (bezeichnenderweise) „Ich will alles“, das sie als zweite Zugabe nach stehenden Ovationen und Blumensträußen emphatisch vortrug, ihre stimmlichen Stärken in sehr kraftvollen tieferen Lagen ausspielend.
Zuvor hatte eine Dame aus dem Publikum gefragt, warum sie denn eigentlich hier sei, was Haenning entwaffnend beantwortete: „Weil ich das eigentlich ganz gern mache: Singen ...“
Ihre Band mit Stefan Weeke am Bass, Schlagzeuger Heinrich Köbberling und dem Pianisten Sebastian Weiß unterstützte sie dabei elegant swingend, auch bei den Ausflügen in Pop und Acid-Jazz.
Andreas Schnell
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