Späte Gerechtigkeit

Vier brasilianische Jugendliche verbrannten 1997 den Indio Galdino. Jetzt wurden sie wegen Mordes verurteilt

SÃO PAULO taz ■ Mit christlichen Gebeten und Gesängen in Tupi-Guarani, der Sprache der brasilianischen UreinwohnerInnen, feierten am frühen Samstagmorgen Dutzende von Menschen den Ausgang eines ungewöhnlichen Strafprozesses in Brasília. Ein Geschworenengericht verurteilte vier Jugendliche aus der Oberschicht wegen vorsätzlichen Mordes zu 14 Jahren Haft.

Im April 1997 hatten die damals 19-Jährigen aus ihrem Auto Galdino Jesus dos Santos gesehen, als er auf einer Parkbank in Brasília schlief. Sie übergossen ihn mit Alkohol und zündeten ihn an. Der Sprecher der Pataxó-Hã-Hã-Hãe-Indianer erlag wenig später seinen schweren Verbrennungen.

Übereinstimmend sagten die Täter aus, die Idee zu diesem „Spaß“ sei ihnen spontan gekommen. Sie hätten ihr Opfer lediglich „erschrecken“ wollen, indem sie einige Tropfen Alkohol auf eine Decke spritzten. Die Ärztin, die den Indianer unmittelbar nach dem Vorfall behandelte, sagte dagegen, Galdino habe ihr versichert, ohne Decke geschlafen zu haben.

Die Anklage argumentierte, die Jugendlichen hätten die Kleider ihres Opfers mit bis zu zwei Liter Alkohol getränkt und damit dessen Tod vorsätzlich in Kauf genommen. Am letzten Verhandlungstag zeigte die Staatsanwaltschaft Fotos von Galdino Jesus dos Santos im Krankenhaus. Bei seiner Einlieferung sei allen klar gewesen, dass er keine Überlebenschance mehr haben würde, sagte die behandelnde Ärztin.

Für die Verteidigung lag lediglich „Körperverletzung mit Todesfolge“ vor. Doch fünf der sieben Geschworenen bewerteten die Tat als vorsätzlichen Mord. In ihrem Urteil stellte die Richterin Sandra de Santis fest, durch das Verbrechen seien die indigene Gemeinschaft und die gesamte brasilianische Gesellschaft „intensiv erschüttert“ worden.

Das Verfahren war ein Medienereignis. Kurz vor Verhandlungsbeginn war wegen des Drucks der Gegenseite die Staatsanwältin zurückgetreten, die den Fall von Anfang an begleitet hatte. Die parteiische Verhandlungsführung der Richterin ließ viele bis zuletzt an einem harten Urteil zweifeln – ebenso wie die Tradition, nach der Reiche im brasilianischen Justizsystem immer gute Karten haben. „Dieser Prozess ist eine Lektion für die brasilianische Gesellschaft“, stellte der Anklagevertreter Luiz Eduardo Greenhalgh zufrieden fest. Und Justizminister José Gregori machte auf seine Weise klar, dass das Urteil angemessen hart ist: Ein Jahr Gefängnis in Brasilien sei „wie vier Jahre in der Schweiz“. GERHARD DILGER