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Handwerker am modernen Pranger

■ Ohne Meisterbrief droht ihnen bis zu 200.000 Mark Strafe

Säuberlich aufgereiht liegen ihre „Tatwerkzeuge“ auf einem Malertisch: Kelle, Hammer, Rolle, Pinsel. Symbolisch lassen sich Marco und Karsten in einen Pranger zwängen, auf dem „deutsche Handwerksordnung“ steht. Damit hätten sich die beiden Handwerker wohl tatsächlich im Mittelalter durch die Bremer Innenstadt treiben lassen müssen. Das Delikt, das ihnen vorgeworfen wird: Arbeiten ohne Meisterbrief. „Bei einer Baustellenkontrolle war einer unserer Mitarbeiter erwischt worden, wie er ein Loch verputzt hat“, erzählt Marco, ein gelernter Malergeselle, der sich vor gut fünf Jahren selbständig gemacht hat. Statt Pranger kamen drei Gewerbeordnungsämtler samt Hausdurchsuchungsbefehl vorbei. „Sie konfiszierten sämtliche Geschäfts- und Privatakten. Da kam ich mir wie ein Terrorist vor“, meint der Beschuldigte. Jetzt drohen Strafen in Höhe von bis zu 200.000 Mark, weil sie angeblich Arbeiten verrichtet haben, die in Deutschland nur Betriebe mit Meisterbrief ausführen dürfen. Marco: „Wir zahlen Steuern und Sozialabgaben – und trotzdem werden wir wie Schwarzarbeiter behandelt.“

Dagegen protestierten gestern die Bremer Böhnhasen direkt am Roland. Die Vereinigung, die allein in Bremen rund 40 Mitglieder hat, heißt nach „Böhn“ (Niederdeutsch für Dachstube) und nach den „Dachhasen“, also Katzen, die sich auf Böden verstecken. Böhnhasen – diesen Spottnamen hatten dunnemals die nicht zünftigen Handwerker, die sich, weil sie heimlich arbeiteten, oft auf den Böden versteckten.

Heute müssen die Böhnhasen immer noch mit vielen Tricks über die Runden kommen – nur, weil sich die selbständigen Handwerker weigern, die viele tausend Mark teure Meisterprüfung abzulegen – in Deutschland die Eintrittskarte zum Handwerkerberuf. Nicht die Prüfung, sondern die Übung mache den Meister, sagen die Böhnhasen. Außerdem wettern sie gegen den Lobbyismus der Kammern, die die Prüfungen vorschreiben. „Verfugen darf man, mauern nicht, Brot backen ist ohne Prüfung verboten, Pizza backen nicht“, meint ein Böhnhase.

„Wir sind davon ausgegangen, dass wir für unsere Arbeiten keine Prüfung benötigen“, sagt „Sünder“ Marco. Jetzt hat er eine Anwältin eingeschaltet. Die Worte des Einsatzleiters bei der Hausdurchsuchung klingen ihm heute noch im Ohr: „Ihr Sparbuch werden sie sowieso nie wiedersehen. Was da drauf ist, reicht nicht annähernd, um die Strafe zu decken.“ ksc

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