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Der König und die böse Welt

Marokko strapaziert die Beziehungen zu seinen europäischen Partnern Spanien und Frankreich. Die Gründe: Immigranten, Westsahara und ein kritisches Buch

MADRID taz ■ Marokkos König fühlt sich missverstanden. Ausgerechnet aus Frankreich kommen dieser Tage die kritischsten Töne gegenüber dem jungen Mohammed VI. und seiner etwas mehr als zwei Jahre langen Herrschaft.

„Nichts bewegt sich, alles scheint wie eingefroren“, urteilt der Journalist Jean-Pierre Tuquoi in seinem neuen Marokko-Buch „Le dernier Roi“ (Der letzte König). Der Maghreb-Spezialist der Pariser Tageszeitung Le Monde beschreibt erstmals minutiös das Leben hinter den Mauern des Palastes in Rabat.

„Die Enttäuschung ist überall zu spüren“, schreibt Tuquoi. Die öffentliche Meinung müsse lernen, „dass Mohamed VI. langsam, aber sicher die Gepflogenheiten seines Vaters übernimmt“. Demokratisierung bleibe aus. „Was unter Hassan II. richtig war, bleibt es auch unter seinem Nachfolger und Sohn Mohamed VI.: In Marokko liegt der wichtigste Teil der Macht fest in den Händen des Königs,“ schlussfolgert Tuquoi und prophezeit: „Indem er die Hoffnung, die er geschürt hat, Stück für Stück sterben lässt, schwächt der König seinen Thron und riskiert ihn zu verlieren.“

Die Reaktion des Königshauses ließ nicht lange auf sich warten. Das Buch darf nicht nach Marokko eingeführt werden. Als die französische Wochenzeitung Le Carnard enchâiné es besprach, ereilte sie das gleiche Schicksal. Und die marokkanische Wochenzeitung Demain wurde angeklagt, „falsche Tatsachen zu verbreiten.“ Offiziell nicht etwa wegen ihres Vorabdruckes aus Tuquois Werk, sondern wegen eines Textes über den angeblich geplanten Verkauf eines Königspalastes in der gleichen Ausgabe.

Nichtregierungsorganisationen wie Reporter ohne Grenzen protestieren. Was tun, wenn die Kritik hoch schlägt? Auch hier hat Mohamed VI. von seinem Vater gelernt: Er sucht sein Glück auf einem Nebenkriegsschauplatz. Dieses Mal trifft es Spanien. Nachdem Marokko sich Anfang des Jahres weigerte, ein neues Fischereiabkommen mit der EU abzuschließen, haben sich die Beziehung zwischen den beiden Nachbarländern zusehends verschlechtert.

Monatelang ging es um die zunehmende illegale Migration aus Marokko nach Spanien; Anfang November beorderte Mohamed VI. wegen Differenzen mit Madrid über die marokkanisch besetzte ehemalige spanische Kolonie Westsahara seinen Botschafter in Spanien für unbestimmte Zeit zurück nach Hause.

Spanien ist gegen einen neuen von Marokko vorgeschlagenen Autonomieplan für die „Südprovinzen des Königreiches“ vor, den auch der UN-Sonderbeauftragte für die Westsahara, der ehemalige US-Außenminister James Baker, gutheißt. „Die öffentliche Meinung ist überrascht über die verzerrte und widersprüchliche Haltung gegenüber unserer heiligen nationalen Sache“, erklärte Marokkos Außenminister Mohamed Benaissa die Rückrufung des Botschafters.

Trotz der Misstöne will Rabat jedoch Frankreich und die USA bei Laune halten. Konzerne der beiden Länder haben ihrerseits Interesse an möglichen Erdölvorkommen in der Westsahara.

REINER WANDLER

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