: „Fußball ist nicht alles“
Wie will Andreas Zeyer (33) leben? Demnächst als sozial verantwortlicher Unternehmer. Der Fußballprofi des Bundesligisten SC Freiburg und diplomierte Maschinenbauingenieur wird nach der Karriere den elterlichen Betrieb übernehmen
Interview Christoph Kieslich
taz: Herr Zeyer, überall lauert die Rezession, da scheint es doch gar nicht verlockend zu sein, Unternehmer zu werden.
Andreas Zeyer: Es ist doch eine Herausforderung, es trotzdem hinzukriegen.
Klingt, als ob Sie schon einen Plan hätten.
Nein, das nicht. Zum einen steht gar nicht fest, wie lange ich noch Fußball spiele. Aber die Eltern werden älter. Mein Vater ist jetzt 71. Aber ob ich das erfolgreich machen kann, wie das Tagesgeschäft läuft, wie ich mit der Arbeit klar kommen werde und wie ich meine Person in den Betrieb einbringen kann – darüber kann man viel reden, die Umsetzung ist aber eine andere Sache. Das ist doch wie bei einem Fußballtrainer: Ich kann in der Theorie alles wissen, taktisch eine Idee und ein Auge für Spieler haben – aber Schwierigkeiten, das den Spielern zu vermitteln.
Sie verdienen seit mittlerweile über zehn Jahren Ihr Geld mit Fußball und sind ein stiller Star der Branche.
Jeder Mensch hat seine Stärken und Schwächen, und der Kommunikativste bin ich sicher nicht. Es hat mir nie gelegen, ein besonders gutes Verhältnis zur Öffentlichkeit und zu Journalisten zu pflegen. Ich war nie im Sportstudio, obwohl angefragt wurde. Zweimal war ich im Dritten Programm, einmal mit meinem Bruder, das andere Mal haben fünf abgesagt und ich bin übrig geblieben.
Na gut, aber für Sie ist dennoch der Traum vieler Buben in Erfüllung gegangen.
Es ist doch wie mit vielem: Man träumt von etwas und wenn man es erreicht hat, denkt man nicht mehr drüber nach, dann ist es selbstverständlich.
Finden Sie, dass Fußball den angemessenen Stellenwert hat in unserem Leben?
Ehrlich gesagt wird er viel zu wichtig genommen. Ich gucke gerne Fußball und auch viel. Aber es gibt Leute, für die gibt es nichts anderes mehr. Immerhin ging es diese Woche doch um die Ehre der Nation. Für mich nicht. Ich finde es schön, wenn Deutschland bei einer WM dabei ist und guten Fußball spielt. Aber wir haben im Moment keine Topmannschaft.
Und dann bricht auch keine Welt zusammen, wenn sie nicht dabei ist?
Bestimmt nicht. Vielleicht ist das auch ein Punkt, an dem Veränderungen stattfinden können. Das Beispiel Frankreich zeigt das doch: Manchmal ist es wichtig, dass nicht alles vor sich hinsiecht, immer weiter.
Einer wie Sie wird also froh sein, wenn er die Glitzerwelt der Bundesliga hinter sich hat?
So kann man es nicht sagen, es wird mir sicher auch etwas fehlen ...
... die fette Überweisung am Monatsende?
Mir wird fehlen, vor 30.000 Zuschauern aufzulaufen und Fußball zu spielen. Das wird einige Zeit der Entwöhnung brauchen, und dann werde ich vielleicht froh sein, wenn der Druck und die Anspannung jedes Wochenende weg ist.
Dann werden Sie andere Sorgen haben. Was produziert der elterliche Betrieb genau?
Er ist ein Stahl- und Landmaschinenbau-Unternehmen mit 30 Mitarbeitern.
Und den bringen Sie dann auf Vordermann?
Mit dem Ansatz bestimmt nicht. Aber der Betrieb muss vorwärts gebracht werden, er muss modernisiert und neue Maschinen müssen angeschafft werden, um die Produktivität zu erhalten.
Als knallharten Chef kann man sich Andreas Zeyer nicht vorstellen.
Das ist auch nicht meine Absicht. Ich will ein sozial verantwortlicher Unternehmer sein, der keinem Arbeitnehmer etwas abverlangt, was er nicht erfüllen kann oder zu leisten im Stande ist.
Ihr Bruder hat Betriebswirtschaft studiert. Werden sie beide gemeinsam den Betrieb führen?
Nein, die Verabredung war: Wenn es einer von uns beiden macht, dann einer allein. Ich glaube, das gute persönliche Verhältnis würde darunter leiden, wenn wir so eng zusammen arbeiten und das wäre schade. Wie sagt man: Geschäft ist Geschäft und Privat ist Privat. Außerdem hat mein Bruder einfach eine andere Arbeitsauffassung und einen anderen Lebensstil.
Was heißt anderer Lebensstil?
Er probiert einfach mehr aus, um sich selbst zu verwirklichen.
Sie sind also demnach der Bodenständige.
Ja, im besten Sinn.
Welche Werte wurden Ihnen im Elternhaus vermittelt?
Erfolgsorientiert zu sein, würde ich mal sagen.
Und Selbstdisziplin – sonst hätten Sie wohl kaum neben der Profikarriere ein Studium durchgezogen.
Das lag bis zum Abschluss 1996 ja noch zu einem guten Teil in der Zeit des SC Freiburg in der Zweiten Liga. Da konnte man vormittags auch mal zur Hochschule nach Offenburg fahren. Heute wäre das schwieriger.
Haben Ihre Eltern das Fußballspielen begrüßt?
Grundsätzlich haben sie das gutgeheißen, aber der Betrieb stand immer im Hintergrund. Die Eltern haben erwartet, dass die Kinder ihn später übernehmen.
Da gab es also nichts zu überlegen.
Als ich mit 19, 20 Jahren studieren wollte, wusste ich nicht konkret was. Das ist eigentlich die Zeit, in der man viel ausprobieren muss. Ich habe halt Maschinenbau belegt. Heute weiß ich, dass mich Betriebs- oder Volkswirtschaft mehr interessiert. Aber was man anfängt, bringt man auch zu Ende – das ist wahrscheinlich das Erfolgsorientierte, was ich von zu Hause habe.
Und gleichzeitig haben Sie sich in die zugedachte Nachfolgerolle gefügt?
Für mich habe ich die Dinge jetzt einigermaßen klar. Für die Generation meiner Eltern sind Lebensläufe vorgegeben, die die Kinder erfüllen sollen. Viele werden diesem Druck nicht gerecht, weil das belastend ist. Vielleicht wird das in unserer Generation besser – wenn wir nicht zum selben Fehler neigen und unsere Kinder so haben wollen, wie wir uns das selbst vorstellen.
Es liegt auch an Ihnen, das zu verändern.
In jeder Generation gibt es einen Wertewandel – zum Guten und zum Schlechten, etwa in der Erziehung. Kürzlich habe ich eine Meldung gehört, wonach über 500.000 Jugendliche kriminell sind. Was immer das bedeutet – ob sie nun Kaugummi klauen oder sonst was – die Zahl hat mich erschreckt. Der Anspruch an die Generationen, die jetzt folgen, ist höher als früher, weil man viel mehr können und leisten muss. Früher war es im Maschinenbau so, dass das grobe Wissen 30 Jahre vorgehalten hat. Heute kann es sein, dass sich das Wissen in drei, vier Jahren ändert. In der EDV ist es ganz extrem.
Welche Themen diskutieren Sie im Freundeskreis jenseits der Bundesligatabelle?
Kommt drauf an, mit wem ich zusammen bin. Autos und Klamotten spielen für mich sicher keine Rolle, weil es mich nicht interessiert. Ich halte mich grundsätzlich bei vielen Themen mit einem Urteil zurück, wenn ich nicht genug darüber weiß. Es stört mich, dass in vielen Lebensbereichen sehr undifferenziert über Dinge gesprochen wird. Ich höre gerne zu, wenn sich jemand gut auskennt in einem Themengebiet und das verarbeite ich dann. Mir geht es vor allem darum, wie man mit anderen Menschen umgeht – oder sich überhaupt für irgendetwas interessiert. Und nicht sagt: Die Welt kann untergehen, aber mir geht es gut.
Und wie geht es dieser Welt?
Es beschäftigt mich, dass es immer mehr Probleme gibt und es immer schwieriger wird, sie in den Griff zu bekommen. Ob das die Umweltverschmutzung ist oder das Bevölkerungswachstum oder das Verhältnis unter den Menschen – da frage ich mich, wie die Welt weiter funktionieren wird. Andererseits sehe ich, dass zum Beispiel vielversprechende Methoden entwickelt werden, mit regenerativen Energien der Rohstoffverknappung entgegenzuwirken – was sich hoffentlich auch auf eine sauberere Umwelt auswirken wird. Das ist vielschichtig und man muss Zusammenhänge kennen – aber diese Sorge, die gibt es. Zumal der Mensch dazu neigt, die Problem lange vor sich herzuschieben, bis es nicht mehr anders geht. Aber je enger die Welt miteinander vernetzt ist, umso weniger kann man sich in seine eigene, kleine Welt zurückziehen.
Wie wollen Sie leben?
Einen festen Lebensplan zu entwerfen ist nicht so einfach, weil die Dinge sich verändern, einen Prozess durchmachen. Jetzt, da ich verheiratet bin und einen Sohn habe, spielt die Familie eine wichtige Rolle. Da geht es nicht mehr nur allein darum, sich beruflich zu verwirklichen. Ich will mich um die Familie kümmern können, sie in Ordnung halten und darauf achten, dass die Kinder ordentlich aufwachsen. Ich halte nichts davon, dass die Mutter sich um die Kinder kümmert und der Vater bis 22 Uhr im Büro sitzt. Mein Ziel ist es, soviel Freiraum wie möglich zu schaffen. Ob ich auch einen Kleinbetrieb führen und nach vorne bringen kann, das weiß ich nicht. Es kann auch sein, ich packe es nicht – dann geht das Leben auch weiter.
Aber vorher haben Sie Ihre Erfindung auf den Markt gebracht?
Erfunden habe ich nichts. Ich habe als Abschlussarbeit eine Wertstoffpresse entwickelt, mit der sperrige Abfälle platzsparend zu Ballen gepresst werden. Nichts Spektakuläres, da gibt es auch andere Produkte – aber das Ding läuft einwandfrei.
Daheim in Neresheim?
Da auch, es wurde sogar ein paar Mal verkauft. Aber bisher hat sich noch keiner die Mühe gemacht, das Gerät richtig zu vertreiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen