Subversiv schwarz

Roberto Blanco, der dunkelhäutige Schlagersänger, hat einen Standardwitz parat, wenn er auf CDU-Versammlungen tingelt. „Wir Schwarzen müssen zusammenhalten“, appelliert er ans Publikum, und donnernder Beifall ist ihm gewiss. Da können sich die Werbestrategen noch so anstrengen: Im Alltagsverständnis selbst der Unionsanhänger bleiben die Christlichen Demokraten „die Schwarzen“.

Diese Fremd- beziehungsweise Selbstzuschreibung entstammt nicht der christlich-religiösen Farbensymbolik. In der christlichen Theologie wird die Symbolfarbe Schwarz dem Teufel vorbehalten, dem in die Finsternis abgestürzten weißen Engel.

Schwarzes im Milieu der Katholiken folgte der bewusst einfachen Kleidung des spanischen Hofzeremoniells. Schwarz stand und steht für das Unergründliche und Böse, doch auch für die Würde der Macht.

Aber wie genau verband sich nun das Schwarz der Patres und Pastoren mit der Politik? Im Fall der Protestanten begnügte sich König Friedrich Wilhelm III. von Preußen am Ausgang des 18. Jahrhunderts damit, den protestantischen Hirten den schwarzen Talar vorzuschreiben. Sie sollten ebenso würdig aussehen wie königliche Juristen bei Gericht. Dieser Dresscode verhinderte nicht, dass politisierende Pastoren außerhalb der Kanzel zu einer Kleidung ihrer Wahl griffen.

Anders bei den Katholiken. In dem Maße, wie im 19. Jahrhundert die weltliche Macht des Klerus schwand, wurde die Kleiderordnung strenger. In der Folge eines Konzilbeschlusses aus den Siebzigerjahren wurde den katholischen Pfarrern permante schwarze Kleidung vorgeschrieben. Dies wiederum hatte zur Folge, dass der politische Arm des Katholizismus im Deutschland Bismarcks, die Zentrumspartei, zahlreiche Abgeordnete im klerikalen Schwarz aufwies.

Da die Zentrumspartei infolge des Kirchenkampfs in Fundamentalopposition zum Bismarckreich stand, hatte die Bezeichnung „Schwarzer“ eher eine verächtliche Konnotation und verwies auf die undeutschen, vielleicht sogar landesverräterischen Beziehungen der „Schwarzen“ zum jenseits der Alpen residierenden katholischen Oberhaupt.

In der Weimarer Republik wurde das Zentrum während längerer Perioden zur Regierungspartei, die Bezeichnung „Schwarze“ aber blieb. Dann kam das Schwarz-Braun der Nazi-deutschnationalen Harzburger Front. Später folgte das Schwarz der SS, das mit dem offiziellen Braun teils harmonierte, teils konkurrierte.

Nach 1945 konstituierten sich sich CDU und CSU als christliche Einheitsparteien. Mit dem historischen Zentrum hat die Union wenig im Sinn, vor allem nicht mit dessen sozialer Ausrichtung. Aber die Zuschreibung als „Schwarze“ blieb den Christdemokraten bis dato erhalten.

An der Unionsbasis zählen solche Differenzierungen wenig. So sang zum 25-jährigen Jubiläum der CDU-Frauenunion Hockenheim ein „Schwarzer Chor“, eine Selbstbezeichnung, die in freiwilliger (oder unfreiwilliger) Ironie den Namen der SS-Postille Das schwarze Korps aufnimmt. Anschließend folgte ein Potpourri von Liedern, in denen prominent die Farbe „Schwarz“ auftaucht – so „Schwarzbraun ist die Haselnuss“, bekanntlich ein bevorzugtes Lied erst der Nazis und dann der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. CHRISTIAN SEMLER