Diesseits von Amazon

Virtuelle Geschenkesuche: Mindestens ein Drittel der Internet-NutzerInnen tut es in diesem Jahr bereits – was erstaunt  ■ Von Peter Ahrens

Die Suchmaschine spuckt und spuckt, ohne dass ihr Gaumen tro-cken wird. 7750 Treffer landet das Internet beim Suchbegriff „Weihnachtsgeschenke“. Laut einer Umfrage bestellt sich mindestens ein Drittel aller deutschen Internet-Nutzer seine Weihnachtsgeschenke in diesem Jahr online – ein weiteres Drittel kann sich das gut vorstellen. Nur vier Prozent lehnen die Präsentesuche im Netz grundweg ab. Weihnachten findet diesseits von amazon.de statt. Wer durch die unendlichen Weiten der virtuellen Vorweihnacht surft, kann sich darüber allerdings nur wundern.

www.weihnachtsgeschenke-info. de – das klingt nach VerbraucherInnenberatung, vielleicht gar nach erfolgreichem Einkaufsbummel. Es klingt jedenfalls nicht danach, zu erfahren, dass der weltgrößte Bierkrug in St. Goar zu finden ist und was es mit der Weihnachtskrippe auf dem Rüdesheimer Marktplatz auf sich hat. Also einen Klick weiter zu www.geschenkefinder.at, was Orientierung verspricht. Zwischen der holzgeschnitzten Sammelkrippe und „meinem Baby-Tagebuch“ kann die geneigte KundIn zur Kamasutra-Glaskunst greifen: Die Missionarsstellung als Karaffe für 170 Mark, natürlich mundgeblasen. Weihnachten ist das Fest der Liebe.

Apropos: Bei www.global-christmas.com wird für 19,90 Mark das Hochzeitsbärchen-Paar zum Feste feilgeboten und mit dem Zusatz: „Hochzeit machen, das ist fein“ beworben. Zusatzinformationen gibt es frei Haus: Das Lametta, lernen wir, stammt aus dem mittelfränkischen Roth, und die 17j-ährige Spanierin Marisa Sanchez wurde just zum Nürnberger Christkind 2001 gewählt.

Erlesenere Wünsche werden bei www.versteigerungen-marktplatz-einkaufen.de erfüllt. Dort wird die SucherIn beim Stichwort Weihnachtsgeschenke automatisch auf die Homepage von Feinkost-Käfer umgeleitet, die ihr Geschenkpaket „Gipfelbrennen“ unters Volk bringen will. Wobei Volk angesichts des Preises von 1900 Mark eher ein selektiver Begriff ist: Champagner, Kaviar, Gänseleber, Trüffelbutter – alles ist drin.

Interaktiv ist das Wort, auf das es in diesem Zusammenhang ankommt, und daher bellt sich der interaktive Vierbeiner Poo-Chi, der vom Aussehen ein wenig an den Spürpanzer Fuchs gemahnt, „im Nu in alle Kinderherzen“. Auf www.frauenseite.com, auf der Seite, auf der „sich alles um die Frau dreht“, laufen die avisierten Weihnachtsgeschenke unter dem Motto: „Selbstgemacht ist doch am bes-ten“. Knopfherzen, Quittengelee, Weihnachtstorte, ein Blumentopf mit Briefmarken – was mehr über das Frauenbild der MacherInnen dieser Homepage aussagt als die Kaufentscheidung erleichtert.

Vielleicht hilft, sich von diesem Erdboden gänzlich zu entfernen, ab ins Weltall. www.sternpate.de lockt mit: „Eine Sternenpatenschaft bekommt man nicht zweimal geschenkt und drückt Liebe besser aus als Worte.“ Die Patenschaft für einen der hellsten Sterne am Firmament kostet 350 Mark, für 150 Mark sind die Sterne noch „gut sichtbar mit bloßem Auge“, wer nur 50 Mark hinblättert, braucht ein Fernglas, um seines Patenkindes ansichtig zu werden. Wer dem Kind auch noch einen Namen geben will, ist bei www.x-mas-geschenke.de goldrichtig. Nur 253 bis 556 Mark kostet die Unsterblichkeit, respektive Sternentaufe.

„Die schönsten Weihnachtslieder von Freddy Quinn“ gibt es übrigens bei www.weihnachtsseiten.de, und die Weißweingläser aus Wegwerfflaschen und den VW Käfer aus Blechdosen unterm Tannenbaum verdanken wir www.mg.hats.de. www.schenken.net schließlich verrät, was all dies überhaupt soll. „Weihnachtsgeschenke haben ihre christliche Wurzel im Bibelwort: ,Also hat Gott die Welt geliebt', in seinem Erlösungsgeschenk an uns in Gestalt seines eingeborenen Sohnes.“

Vielleicht wäre ein Einkaufsbummel durch die Ottenser Fußgängerzone doch noch ertragreicher gewesen.