: Frei von männlichen Werten
■ Der bundesweit einzige Hort nur für Mädchen ist von der Schließung bedroht: Es mangelt an der Nachfrage
Seit den Sommerferien plagt den Schülerinnenladen Altona ein ungewöhnliches Problem: Es fehlen Kinder. Der bundesweit einzige Hort nur für Mädchen, 1991 vom Bund Deutscher PfadfinderInnen gegründet, ist von der Schließung bedroht. Zurzeit kommen statt der vorgesehenen 24 nur 16 Mädchen in die hellen Räume an der Eckernförder Straße. „Wir müssen bis kommenden Mai 18 Plätze besetzen. Wenn nicht, machen wir zum Sommer zu“, sagt Erzieherin Lourde Martinez.
Was schade wäre. Die Gründung der Mädchen-Kita fußt auf Erkenntnissen der feministischen Pädagogik, die auch heute noch hoch aktuell sind. So werden Mädchen in gemischtgeschlechtlichen Klassen und Kitas schnell in die Rolle der stets vernünftigen „Hilfserzieherinnen“ gedrängt. Die Bereiche „Unsinn machen, sicheres Terrain verlassen, Risiken eingehen, sind fest in männlicher Hand“, heißt es in der Selbstdarstellungsbroschüre des Schülerinnenladens. „Hier können die Mädchen sich ausprobieren, ohne männliche Kritik und Konkurrenz“, sagt Martinez. Dazu gehören Übungen in Selbstverteidigung und nachmittägliches Toben ebenso wie die klassische Lieblingsbeschäftigung Verkleiden.
Spezielle Mädchenpädagogik gehört zwar auch in Jugendzentren schon lange zum guten Ton. Doch diese Angebote erreichen oft nur die älteren Kinder. „Wir müssen aber schon die Sechs- und Siebenjährigen stärken“, sagt Martinez' Kollegin Andrea Winkler. Die mangelnde Nachfrage führt sie keineswegs auf die Qualität des Angebots zurück. „Es liegt allgemein im Trend, die Kinder am Nachmittag sich selbst zu überlassen. Und Mädchen mutet man dieses frühe Selbstständigsein noch früher zu“.
Hinzu kommt, dass der Schülerinnenladen in einem sozial schwachen Wohngebiet liegt. Manche Eltern könnten sich den Hort nach der jüngsten Beitragserhöhung nicht mehr leisten. Diese Beobachtung hat auch Elimar Sturmhoebel vom alternativen Wohlfahrtverband „Soal“ gemacht, dem der Schülerinnenladen angehört: „Bei Hortplätzen sind Eltern am ehesten bereit, die Kinder abzumelden.“ Die Lage des Schülerinnenladens wirkt sich aber möglicherweise noch in anderer Hinsicht negativ aus: „Eltern haben es lieber, wenn der Hort direkt an der Schule ist“, sagt Helga Wallat vom Jugendamt Eimsbüttel, Abteilung Kindertagesbetreuung: „Darunter leiden auch andere Einrichtungen mit pädagogisch gutem Konzept.“ Kaija Kutter
Schülerinnenladen Eckernförder Straße 10, Tel.: 850 39 37
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