: Lieber mit Polizei
■ Nazis legen Kranz am Kriegsklotz nieder. 250 GegendemonstrantInnen
Kurz vor 14 Uhr treffen die Neonazis im U-Bahnhof Stephansplatz ein. „Aufstellung“, befiehlt der Hamburger Neonaziführer Thomas Wulff und dann „Abmarsch“. Mit strammem Schritt, Kranzträgerin und Fahnenschwenker voran, marschieren sie los. Trotz der weiträumigen Polizeiabsperrung erschallt von ringsum sofort „Nazis raus“: Etwa 100 Neonazis aus Norddeutschland trafen sich gestern am Kriegsklotz am Dammtorwall, um anlässlich des Volkstrauertages unter dem Motto „Ewig lebt der Toten Tatenruhm“ einen Kranz niederzulegen.
An die 250 GegendemonstrantInnen haben sich an den Sperren versammelt, um die Veranstaltung nicht ungestört vonstatten gehen zu lassen. Immer wieder erklingen Trillerpfeifen und Rasseln, als die neuen „Nationalen Sozialisten“ vor dem 1936 von den Nazis errichteten „76er“ Soldatenehrenmal Stellung nehmen. „Wir sind hier, um die Toten und Überlebenden der Wehrmacht und der Waffen-SS zu ehren“ erklärt mit getragener Stimme der vorbestrafte Wulff und verspricht „auch mit dem eigenen Blut gegebenenfalls dafür zu kämpfen, die eigenen Kulte zu leben“. Auch der vorbestrafte Peter Borchert aus Neumünster und der verurteilte Naziterrorist Manfred Börn aus Lüneburg erklären mit pathetischer Rhetorik, für die „wahre Erinnerung“ zu kämpfen.
Angemeldet hatte die Veranstaltung die Hamburgerin Inge Nottelmann. Allerdings wäre dies gar nicht nötig gewesen, da Kranzniederlegungen nicht gemeldet werden müssen. Der Schutz der Polizei schien Nottelmann und Worch aber wohl doch sicherer. Denn bereits voriges Jahr hatten sich mehrere hundert Menschen am Dammtor versammelt, um gegen die Gedenkfeier zu protestieren. Auch damals legten 100 Neonazis geschützt von der Polizei Kränze nieder. Nach der Versammlung behüteten die Einsatzkräfte stundenlang die Nazi-Gebinde.
Als gestern nach knapp 40 Minuten die Neonazis wieder mit der U-Bahn verschwanden, forderten die GegendemonstrantInnen, die nun vor den Kriegsklotz ziehen konnten, erneut: „Kränze her“. Nachdem die Polizei dem Wunsch nicht nachkam, empfahl Bela Rogalla vom Regenbogen als Abschlussredner: „Schaut doch heute Nacht noch mal vorbei.“ Andreas Speit
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