: Bombardier: Signale stehen auf Sturm
Beschäftigte des Schienenfahrzeugwerkes brechen zu Protesten auf. Sie fürchten den Wegfall hunderter Arbeitsplätze
Im Hennigsdorfer Bombardier-Werk werden auch heute wieder einige Maschinen still stehen. Zwei- bis dreihundert Beschäftigte wollen nach Angaben der IG Metall zu einer Protestaktion nach Dortmund fahren. Anlass ist die Internationalen Bahn-Messe in der Westfalenhalle, auf der sich der kanadische Schienenfahrzeughersteller Bombardier profilieren will. Bombardier plant, in seinem Werk in dem Nordberliner Vorort mehrere hundert Stellen zu streichen und zwei weitere Standorte in Ostdeutschland zu schließen.
„Wir fordern den Erhalt aller deutschen Bombardier-Standorte“, sagt Gesamtbetriebsratschef Jürgen Conrad. Die Belegschaften ließen sich nicht spalten in solche, die wegen der Restrukturierung bluten müssten, und solche, an denen der Kelch vorübergehe. Bombardier Transportation hatte in diesem Jahr offiziell die einstige DaimlerChrysler-Tochter Adtranz übernommen. Die Schienenfahrzeugbranche leidet seit längerem unter Überkapazitäten, Marktführer Bombardier will so genannte Fertigungsüberschneidungen abbauen und teure Produktionen an einem Standort konzentrieren.
Die Gefahr der Spaltung ist allerdings gegeben. Denn während die Standorte Ammendorf in Sachsen-Anhalt und Vetschau im Süden Brandenburgs komplett geschlossen werden sollen, scheint Hennigsdorf noch relativ glimpflich davonzukommen. Hier stehen nach Gewerkschaftsangaben etwa 420 von rund 2.400 Arbeitsplätzen zur Disposition. Zu DDR-Zeiten arbeiteten noch rund 5.000 Menschen in dem Werk, in dem Regionalbahnen, Straßenbahnen und S-Bahnen hergestellt werden können.
Der Grund für die Schonung Hennigsdorfs dürfte auch in der Nähe zum Berliner Markt liegen, von dem sich die der kanadische Technikkonzern offenbar die umfangreichsten Aufträge erhofft. Hennigsdorf würde nach den Konzernplänen sogar von der Schließung Ammendorfs profitieren und die Endmontage komplett übernehmen. Die Hennigsdorfer Vormontage bliebe ebenfalls in der Region – bei einer Bombardier-Tochter in Berlin-Marzahn.
Die Hennigsdorfer sind trotzdem sauer. Man werde kämpfen, bis alle Schließungs- und Verlagerungspläne zurückgenommen sind, so Betriebsratschef Michael Wobst. „Es ist falsch anzunehmen, Hennigsdorf sei mit einem blauen Auge davongekommen.“ Die Schließung der Betriebsteile Wagenkastenrohbau und Vormontage bedeuteten den Verlust von 420 Arbeitsplätzen im Werk und 500 bis 600 bei Zulieferfirmen. Die Hennigsdorfer befürchten außerdem eine weitere Zerstückelung des Werkes, wenn wichtige Glieder der Wertschöpfungskette erst einmal weggefallen sind.
Deshalb wollen die Beschäftigten in den nächsten Tagen ihre Arbeitsniederlegungen fortsetzen. „Dann könnte es langsam zu Engpässen bei der Auslieferung kommen“, betonte IG-Metall-Sprecherin Marlis Dahne gestern. Auch Werksbesetzungen, wie sie bereits an anderen Standorten diskutiert würden, schloss die Gewerkschafterin nicht aus: „Wir können auch anders.“ RICHARD ROTHER
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