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WAHLEN IM KOSOVO: ERST MAL EIN ZEICHEN DER NORMALISIERUNGUnabhängigkeit nur verschoben

Was gab es vor Monaten noch für Diskussionen um die vorläufige Verfassung und das Wahlgesetz im Kosovo. Doch die Albaner gaben nach und akzeptierten, dass ihr Wunsch nicht erfüllt wird, dass das neu gewählte Parlament die Unabhängigkeit des Kosovo beschließen darf. Ja, UNO und OSZE haben sogar durchgesetzt, dass die Minderheiten und damit vor allem die Serben übermäßig stark im Parlament repräsentiert sein werden. Diesem Zugeständnis ist es jetzt zu verdanken, dass sich sehr viele serbische Wähler dem Boykottaufruf der Milošević-Anhänger verschlossen haben. Zwar schluckten auch ganz „normale“ Serben im Kosovo schwer daran, ein Parlament zu bestimmen, in dem die Albaner die Mehrheit haben. Doch scheinen sie auf ihre neuen Minderheitenrechte zu vertrauen, die für sie von den „Internationalen“ durchgesetzt wurden.

Dass nun sowohl die Mehrheit der Albaner wie auch die knappe Hälfte der Serben für moderate Parteien gestimmt haben, ist ein Hoffnungszeichen. Offensichtlich gibt es einen breiten Willen in allen Bevölkerungsgruppen, endlich zu einem normalen Leben zurückzukehren. Doch wird sich dies nicht von heute auf morgen bewerkstelligen lassen. So erwarten vor allem jene Albaner, die unter der serbischen Unterdrückung besonders stark gelitten und Angehörige verloren haben, dass zunächt die Morde gesühnt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen sind. Umgekehrt ist bei vielen Serben aber gar kein Wille zur Versöhnung zu erkennen; statt neue Ideen zu entwickeln verharren sie in der alten Ideologie. Zudem verweisen sie zu Recht darauf, dass die Albaner die Schuldfrage allzu einseitig thematisieren. So gibt es durchaus auch Albaner, die Verbrechen an Serben und Roma begangen haben. Auch sie müssen sich vor Gerichten verantworten – so die nachvollziehbare serbische Forderung.

Auffällig war im Wahlkampf, dass alle albanischen Parteien moderate Töne anschlugen. Dies lässt für die Minderheiten hoffen; es mag tatsächlich sein, dass ein „neues Kapitel in dem Verhältnis der Bevölkerungsgruppen“ aufgeschlagen wird, wie der wahrscheinliche Wahlsieger Rugova angekündigt hat. Dies wäre ein großer Sieg der Vernunft, der auch in die Nachbarländer bis hin nach Mazedonien ausstrahlen würde. Doch bei allen Hoffnungen sollten keine falschen Illusionen entstehen. Die Bevölkerungsmehrheit der Albaner wird auch weiterhin die Unabhängigkeit von Jugoslawien anstreben. ERICH RATHFELDER

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