Goldiger Turboschwurbel

Highlights aus der Welt der Mega-Power-Terminologie: Werbesprache at its best

„I smell you on my skin, alte Bummelzuglatrine!“, sangen wir bis in den frühen Morgen

Die herbstlich trüben Tage nutze ich traditionell, um eine Schreibtischstrukturreform durchzuführen. Andere Menschen würden zaghaft formulieren, sie räumten ihren Arbeitsplatz auf, aber das wuppt nicht. In der Sprache liegt die Kraft, und für kräftezehrende Projekte motiviert man sich am besten mit einer Mega-Power-Terminologie von literarischem Format. Mein Terminkalender heißt nicht Terminkalender, sondern „Fahrplan ins Glück“!

Auch Freund und Kollege Dr. D. hat es mit dieser Methode weit gebracht. Als vor Monaten die Grundsanierung seiner Küche anstand, beflügelte er sich mit einem freudig-apodiktischen Maßnahmenkatalog, weithin sichtbar annonciert an der Kühlschranktür. Er trug die Überschrift „Aktionsprofil Traumküche“ und enthielt sämtliche „Bau-auf, bau-auf!“-Abschnitte von „Altpapier runterbringen“ über „Mülleimer kaufen“ bis „Stuck restaurieren“. Das Altpapier ist jetzt unten.

Das Altpapier, das ich derzeit zutage fördere, kommt großteils nicht runter, sondern in die goldene Mappe mit der Aufschrift „Gibt’s ja gar nicht!“. Beispielsweise die Postkarte, die mir vor Jahren die Post in meinem Briefkasten hinterließ. Darauf steht: „Die Zustellung Ihrer Post wird erschwert bzw. ist nicht möglich, weil kein Briefkasten vorhanden ist.“ So was schmeißt man doch nicht weg!

Ist ein Briefkasten vorhanden, findet man darin Anschreiben jener Menschen, die meine Mega-Power-Terminologie-Methode einst adaptiert haben und seitdem missbräuchlich führen, um anrüchigen Produkten Glamour zu verleihen. Ich spreche von Werbern und, zwölf Gehaltsstufen tiefer, Promotern. Wer diese Leute Kreative nennt, wird von mir hiermit erst recht zum Weiterlesen verurteilt und danach ab ins Bett. Ohne Abendbrot und Nachtisch!

Zum Beispiel die Agentur, welche die RTL-Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ (GZSZ) vermarkten muss – und noch eine Firma, die auch gern in der Presse erwähnt werden will. Synergieeffekthascherisch ersann man den „GZSZ Beauty Travel Bag“, einen Plastikrucksack im Meerschweinchenformat, der den Rasierer „Lady Protector“ samt „Rasiermousse“ sowie, als Prunkstück, die GZSZ-Uhr „im angesagten G-Shock-Design“ enthält. Das Girlie-Set muss einmal sehr berühmt gewesen sein. Jedenfalls heißt es in meiner Mappe: „Der GZSZ Beauty Travvel Bag feiert jetzt sein Comeback“. Endlich! Und auch noch als gereimter Turboschwurbel!

Ebenfalls ein Comeback feiert der Geruch der Deutsche-Bundesbahn-Zugtoiletten, auf denen diese Seifenspender hingen, bei denen man an einem schwarzen Kranz drehen musste, damit die Seife rieselte, deren Geruch sich dann mit jenem der übrigen Toilette vermischte. Aber ich will die Pointe nicht vorwegnehmen. Es war so: Bei der festlichen Premiere eines Chansonsprogrammes wurden mir und meinem Freundeskreis von Stewardessen-ähnlichen Promoter-Assistentinnen weiße Plastiktüten des Design-Anbieters Helmut Lang ausgehändigt. Darin befand sich eine doppelt gefaltete Din-A2(!)-Werbebroschüre für einen neuen Duft mit albernen Lebensgefühl-Vorschlägen („I smell you on my skin“) sowie eine kleine Ampulle mit dem Produkt. Und nun raten Sie mal, wie das riecht, und zwar ganz genau!

Wir hatten dann noch einen lustigen Abend in der Gastronomie. „I smell you on my skin, alte Bummelzuglatrine!“, sangen wir bis in den frühen Morgen. Schließlich zitierte ich noch Highlights aus der Promo-Prosa der „Brancheninitiative Treffpunkt Tisch“, die mir regelmäßig Geschirr und anderen Küchenkram schmackhaft machen will, falls man so sagen kann. „Anbei“, so schrieb einmal ein spürbar gequälter Promoter, „senden wir Ihnen unseren aktuellen Verbrauchertipp, der Sie hoffentlich dazu inspirieren wird, einmal einen Beitrag zu dem unerwartet spannenden Thema Kaffee zu schreiben.“ Es folgten echte Thriller-Infos für „Fans der heißen Bohne“. Ich gebe sie hier gern wieder! Oh, Moment, ich höre gerade aus der Regie: Der Text ist jetzt schon viel zu lang. Na, dann eben nicht. Mut zur Lücke! HOLGER WICHT