: Letztes Stündchen der Onlinebanker
Consors wird zusammen mit seinem Mutterhaus von den deutschen Großbanken übernommen. Diese betreiben selbst Internetinstitute und haben wenig Interesse am Erhalt des Konkurrenzhauses. New-Economy-Star Schmidt junior in der Krise
von HERMANNUS PFEIFFER
Der Internet-Aktienhändler Consors steht möglicherweise vor dem Aus. Der erste deutsche Online-Broker könnte von der Krise seiner eigenen Mutterbank zerrieben werden. Gestern verlor der Aktienkurs der Nürnberger zeitweise über zehn Prozent und sackte unter elf Euro. Banken und Investoren empfahlen „verkaufen“. Der Internet-Broker war einst als Turnschuh-Unternehmen gestartet und bildete die Speerspitze der inzwischen kläglich gescheiterten New Economy.
Im Sommer 1994 hatte Karl Matthäus Schmidt, aus der gleichnamigen Banker-Familie, zusammen mit einem Studienkollegen seinen Discount Broker gegründet. Schmidt junior träumte von einer „revolutionierten Aktienkultur in Deutschland“, seine Geschäftsidee: Beim Kauf von Aktien und Wertpapieren per Internet sollten die Kunden nicht mehr die teuren Bankgebühren bezahlen müssen. Die Idee flutschte, solange die Börsen boomten. Consors expandierte nach Frankreich, Italien, Spanien und beschäftigte über 1.000 Menschen. Die Onlinebank wuchs zur Nummer eins in Europa heran, aber seit dem Absturz von Nasdaq und Neuem Markt im Frühjahr 2000 tun sich die Nürnberger Discountbroker genauso schwer wie alle anderen Direktbanken.
Jetzt bedroht die Pleite des Stammhauses, der privaten Schmidt-Bank in Hof, auch den flotten Nachwuchs. Problembehaftete Immobilien- und Firmenkredite, insbesondere in Ostdeutschland, haben das bayerische Kreditinstitut in existenzielle Schwierigkeiten gestürzt. Aus eigener Kraft gab es kein Entrinnen mehr.
Immerhin präsentierte der Bundesverband deutscher Banken am Sonntag den Rettungsplan: Eine Auffanggesellschaft übernimmt vom Hauptaktionär, der Familie Schmidt, die Anteile und wird eine Neustrukturierung durchführen. Die neuen Eigentümer der Schmidt Bank werden dadurch Bayrische Hypo-Vereinsbank, Commerzbank, Deutsche und Dresdner Bank sowie Bayerische Landesbank heißen. Beteiligt ist auch der Einlagensicherungsfonds deutscher Banken.
Aber gerade die Rettungsaktion durch die Großbanken gefährdet Consors. Die großen vier besitzen nämlich selber eigene Töchterunternehmen für Geld- und Aktiengeschäfte im Internet. Die Schmidt-Retter werden kaum eine Konkurrenz im eigenen Haus durchfüttern wollen. Daher scheint mittelfristig eine Fusion von Consors mit einem anderen Institut wahrscheinlich. Sogar eine Auflösung des Brokers wird von Beobachtern nicht ausgeschlossen. „Von den großen Banken in dem Konsortium wird wohl kaum jemand daran interessiert sein, Consors zu kaufen“, sagte Andreas Herzog, Aktienhändler beim Handelshaus Concord Effekten. „Die sind ja bereits in dem Markt engagiert.“ Consors gibt sich zurückhaltend. „Wir warten ab“, sagt Sprecherin Simone Stein gegenüber der taz. „Welche Auswirkungen die Krise der Schmidt-Bank auf uns hat, wissen wir noch nicht.“ Die Geschäfte laufen jedenfalls auch in Nürnberg zunächst weiter.
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