piwik no script img

Biowaffenverbot ist praktisch tot

Die USA erteilen dem Verifikationsprotokoll des B-Waffenverbots nunmehr eine endgültige Absage. Damit sind alle Chancen, es in Kraft zu setzen, verspielt. Auch Großbritannien und Deutschland schwenken jetzt auf die Washingtoner Linie ein

aus Genf ANDREAS ZUMACH

„Bis zu den Terroranschlägen vom 11. September war das Verhältnis zwischen den USA und Europa von mehren Streitpunkten belastet: Klimaschutzprotokoll, Internationaler Strafgerichtshof, ABM-Vertrag und Weltraumrüstung, Verifikation der B-Waffenverbotskonvention. Seit dem 11. September sind das nur noch Verwaltungspetitessen. Der Kampf gegen den Terrorismus hat dem transatlantischen Bündnis eine neue Daseinsbestimmung gegeben.“ So erläuterte der Botschafter eines führenden Nato-Staates in Washington kürzlich die „neue Weltlage“.

Er setzte auf einen „neuen multilateralen Geist in der Bush-Administration“, der auch eine „Lösung“ der „Verwaltungspetitessen“ von vor dem 11. September ermöglichen werde. Da die Bush-Administration und der Kongress in den Vortagen dieser Äußerungen ihre harte Haltung beim Klimaschutz, dem ABM-Vertrag und Internationalen Gerichtshof bekräftigt und teilweise verschärft hatten, blieb dem Botschafter der Verweis auf „eine baldige Stärkung der Verbotskonvention für B-Waffen“. Angesichts der „Anthraxbedrohung in den USA“ werde die Bush-Administration ihre Absage an das von der UNO-Abrüstungskommission in Genf fertig gestellte Verifikationsprotokoll für die Konvention „sicher überdenken“.

Am Montag zerplatzte auch diese Hoffnung. „Das Verifikationsprotokoll ist mausetot“, sagte John R. Bolton, US-Vizeaußenminister, in Genf. Als Ersatz legte er einen Katalog „alternativer“, in erster Linie nationaler, Maßnahmen vor: die Verschärfung von Gesetzen gegen Aktivitäten, die die B-Waffenkonvention verbietet; die Überwachung biotechnischer Forschungen und des Umgangs mit pathogenen Organismen sowie Vorbeugemaßnahmen gegen die Bedrohung durch Anthrax und ähnliche Stoffe.

Entgegen Boltons Behauptung sind diese „alternativen“ Maßnahmen allerdings auch in dem Verifikationsprotokoll enthalten, das im Juli noch alle anderen 60 Mitgliedsstaaten der UNO-Kommission unterzeichnen wollten.

Was in dem Alternativkatalog aus Washington fehlt, sind die Vorschriften des Verifikationsprotokolls für internationale Routine-und Verdachtskontrollen auf den Territorien aller Unterzeichnerstaaten. Im Juli hatte die Bush-Administration solche Kontrollen abgelehnt: sie fürchtet „Industriespionage“ und will ihre eigene B-Waffenforschung vor ausländischen Inspektoren schützen. Nach offizieller Lesart dient diese Forschung nur dem „defensiven“ Zweck der „Entwicklung von Schutzimpfstoffen“ gegen B-Waffenangriffe. Nach Ansicht von Experten lassen sich offensive und defensive B-Waffenforschung kaum unterscheiden. Im September berichtete die New York Times, dass das Pentagon in bis dato geheimen Programmen einen neuen biologischen Kampfstoff entwickelt, eine Bombe für seinen Einsatz sowie eine Waffe für die Zerstörung von B-Waffen-Produktionsanlagen in anderen Ländern.

Auch Diplomaten und Experten in den Außen-und Verteidigungsministerien Deutschlands und Großbritanniens halten dieses Programm für einen „klaren Verstoß gegen die B-Waffenkonvention“. Bolton wies Kritik an den USA am Montag zurück und warf dem Irak, Iran, Nordkorea, Libyen und Syrien die Verletzung der Konvention vor. Auf das dort vorgesehene Verfahren zur Klärung derartiger Vorwürfe zwischen Vertragsparteien will sich Washington nicht einlassen. So gibt es keine Chance, dass das Verifikationsprotokoll zum B-Waffenabkommen in Kraft gesetzt wird. Vor allem weil die EU gespalten ist: Deutschland und Großbritannen sind aus „übergeordneten politischen Gründen“ auf die Linie der Bush-Administration eingeschwenkt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen