Krise der Mobilfunkindustrie beendet Coltan-Boom

Die einträglichste Einnahmequelle von Kongos Rebellen trocknet aus. Aber in den Minen wird weiter nach Tantalerz geschürft

GOMA taz ■ Monatelang war es das Skandalthema des Kongo-Kriegs: Der Export des „Handy-Rohstoffs“ Coltan (Colombo-Tantalit) aus den Rebellengebieten im Osten der Demokratischen Republik Kongo, wo die von Ruanda unterstützte Rebellenbewegung RCD regiert. Weil die deutsche Bayer-Tochter H.C.Starck als Hauptabnehmer des kongolesischen Coltans gilt, hielten es Beobachter für erwiesen, dass deutsches Geld den Krieg schürt. International starteten Kampagnen gegen „Blut-Handys“. Die belgische Sabena stoppte ihre Coltanfrachtflüge aus Ostafrika.

Heute steckt die gesamte Mobilfunkindustrie in der Krise und kämpft mit Überkapazitäten. Die Weltmarktpreise für das aus Coltan gewonnene Tantal sanken von 400 Dollar pro Pfund zu Jahresbeginn auf rund 100 Dollar Ende Oktober. Der Boom ist vorbei.

„Vom Coltan-Boom profitierten alle“, sagt Dario Kasuku, einer der reichsten Unternehmer in der RCD-Hauptstadt Goma, auf der Terrasse seiner Villa am Kivusee. „Diejenigen, die sich sonst Milizen anschließen, hatten Arbeit. Aber jetzt sind die Preise schrecklich gefallen, die Leute sind nicht mehr motiviert. Coltan wächst ja nicht nach.“

Das Coltangeld kam nicht nur Schmugglern, Soldaten und Ausländern zugute, sondern allen Kongolesen, die Coltan zu verkaufen hatten. Jede Familie, die es sich leisten konnte, schickte Angehörige in die Coltanminen, in denen per Hand nach dem kostbaren Erz gesucht wird. Das vom Krieg zerstörte Goma erblühte wieder.

Um dabei abzusahnen, verstaatlichte die RCD im November 2000 den Coltanhandel. Die RCD-eigene Firma „Somigl“ (Minengesellschaft der Großen Seen) erhielt das Exportmonopol. Somigl-Geschäftsführerin wurde Aziza Gulamali, eine mächtige Händlerin aus Bukavu. Sie bootete damit Konkurrenten aus – zum Beispiel den Deutschen Karl-Heinz Albers, während der Mobutu-Diktatur in Zaire der wichtigste Coltanexporteur des Landes, aus dessen Mine nahe Goma Colombium gefördert wird, neben Tantal der andere Bestandteil von Coltan.

Zunächst war das Monopol für die RCD eine Goldgrube. Von 20.000 Dollar im Monat schnellten ihre Einnahmen aus Coltanexportzöllenim Dezember 2000 auf 1.124.970 Dollar hoch. Aber viele Händler wollten sich der Somigl nicht unterordnen und exportierten auf Schmuggelwegen. Im Frühjahr 2001 warfen die USA Teile ihrer strategischen Tantalreserven und ihre gesamte Colombiumreserve auf den Markt, um eine Preissenkung zu erzwingen. Das brach der RCD das ökonomische Rückgrat.

Im April 2001 löste die RCD Somigl wieder auf. „Widerstand seitens der kleinen Produzenten“ sei der Grund gewesen, gesteht RCD-Bergbauminister Nestor Kiyimbi in Goma. „Die Bauern waren davon überzeugt, dass das Monopol die Preise sinken lässt. Sie stellten sich quer. Also stellte sich die RCD auf die Seite der Bevölkerung und liberalisierte den Coltansektor“.

Das sei ein nachträgliches Schönreden, findet Unternehmerführer Kasuku. Vielmehr hätten Unternehmer wie er die Rebellen zur Zerschlagung des Monopols gezwungen. Am 5. April wurde der private Coltanexportaus Ostkongo wieder erlaubt. Und Gomas alteingesessene Unternehmerkaste, die zu Mobutu-Zeiten reich wurde und im Krieg fast alles verlor, fühlt sich wieder im Aufwind. Bislang haben acht Handelskontore eine neue Exportlizenz erhalten. Aber die Exportmenge sinkt weiter – von 112,49 Tonnen im Dezember 2000 auf 30 Tonnen im Juli 2001. Der Exporterlös für Kongos Coltanexporteure lag im September bei 35 Dollar pro Pfund.

So muss sich die RCD neue Einnahmequellen suchen. Vor kurzem, berichtet ein Unternehmer in Goma, platzte ein Deal zwischen der RCD und einer südafrikanischen Firma über ein neues Exportmonopol für kongolesische Bergbauprodukte. Und ehemalige Somigl-Funktionäre arbeiten nun in einer neuen RCD-Finanzbehörde, die den weltweit einmaligen Titel „Büro zum Schutz der öffentlichen Einnahmen“ trägt und von Firmen Abgaben erpresst.

Anstelle der Somigl haben die früher etablierten Händler wieder Fuß gefasst, so die GBC, lokale Filiale der von Albers gegründeten Firma Masingiru. Zu Somigl-Zeiten musste sie dichtmachen. Die RCD überzieht nun Albers mit Steuernachzahlungsforderungen. Den einheimischen Händler Edouard Mwangachuchu hingegen, der 1996-98 im US-Exil lebte und dann mit einem US-Partner eine Coltanfirma gründete, beriefen die Rebellen ins Provinzparlament.

Den Bergarbeitern ist die Konkurrenz der Händler willkommen. Der Einkaufspreis für Coltan ist zwar von 40 Dollar pro Kilo auf sechs Dollar gesunken – aber ein Bauer müsste 60 Kilo Bohnen verkaufen, um sechs Dollar zu verdienen. „Es gibt keine andere ebenso einträgliche Aktivität, trotz der niedrigen Preise“, sagt ein Wissenschaftler, der die Arbeitsbedingungen in den Minen untersucht hat.

Dennoch ist die Krise nicht zu übersehen. Zahlreiche Coltanankaufstellenin Goma sind geschlossen. Einer der führenden Coltanhändler warnt: „Viele Milizionäre hatten den Kampf aufgegeben und sich dem Coltan gewidmet. Jetzt besteht das Risiko, dass sie wieder in den Krieg ziehen.“ DOMINIC JOHNSON