DAS THEMA STUDIENGEBÜHREN EIGNET SICH NICHT ZUM TAKTIEREN
: Die SPD muss die Wahrheit sagen

Es ist ein Kreuz mit der SPD. Am Mittwoch hatten sich die Sozialdemokraten glasklar gegen Studiengebühren ausgesprochen – nach ausführlicher Debatte auf dem Bundesparteitag. Bildungsministerin Edelgard Bulmahn hatte nur Gebühren für die Regelstudienzeit ausschließen wollen. Die Jusos setzten die Forderung nach einem komplett gebührenfreien Studium durch. So weit, so gut. Nur begann tags darauf wieder einmal das, was es in keinem anderen Politikfeld gibt: Die – mathematisch gesprochen – eineindeutige Entscheidung wurde nach allen Regeln der Kunst umgedeutet.

ReferentInnen der diversen SPD-Bildungsminister – meist Ex-Jusos, die an Stammtischen gerne gegen das Bezahlstudium wettern – gaben an, sie hätten den Beschluss noch nicht. Oder räsonierten über seine Interpretation. Dabei ist so langsam auch für die SPD die Zeit gekommen, sich über die politische Realität klar zu werden. Frau Buhlmahn ist zu schwach, um Gebühren zu verbieten, und sie hat sich dafür auch zu viel Zeit gelassen: In der Bundesrepublik werden in zu vielen Ländern Gebühren erhoben, als dass man sie noch verbieten könnte. Das sollte auch die SPD den Studierenden ehrlich sagen. Sie haben ein Recht darauf. Denn nur dann können sie Einfluss nehmen.

Dieser Einfluss ist nötiger denn je. So muss zunächst garantiert sein, dass die jetzt eingeschriebenen Studierenden nach altem Recht zu Ende studieren können. Notfalls braucht es eine „Altfallregelung“ wie im Asylrecht: Wer nicht bei Zeiten fertig wird, kriegt eben ein Notexamen. Sonst droht das Baden-Württemberg-Szenario: Dort wurden Langzeitgebühren eingeführt und dabei tausende Studis ohne Abschluss auf den Arbeitsmarkt und in die Sozialhilfe gedrückt. Zudem muss gewährleistet werden, dass Talente, die die Studiengebühren nicht bezahlen können, trotzdem an die Hochschulen kommen. Dazu braucht es viele, viele Stipendien, öffentliche wie private – und zwar ab sofort. Und schließlich müssen die Bildungsminister auch etwas spendieren: ein Moratorium nämlich. Studiengebühren dürfen erst dann kommen, wenn die Hälfte der Studis Zugang zu einer Studienunterstützung haben. Derzeit sind es nur 20 Prozent. Das ist zu wenig. CHRISTIAN FÜLLER