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Kundus vor Desaster

Afghanische Nordallianz verstärkt Angriffe auf die Taliban-Hochburg Kundus. Britischer Außenminister befürchtet „humanitäres Desaster“

KABUL/ISLAMABAD afp ■ Die afghanische Nordallianz hat ihre Angriffe zur Einnahme der nordafghanischen Taliban-Bastion Kundus verstärkt. Die Kämpfer griffen die Stadt gestern an drei Fronten an, wie die Taliban-nahe Nachrichtenagentur AIP meldete. AIP-Angaben zufolge wurden dabei dutzende Menschen getötet oder verletzt. Der Nordallianz-Kommandeur Sadreddin sagte der Nachrichtenagentur AFP, Soldaten der Nordallianz hätten die Stellungen auf den Hügeln rund um die Stadt übernommen. In Kundus sind seit mehr als einer Woche mehrere tausend Taliban-Kämpfer eingeschlossen. Seit Donnerstag sollen laut Nordallianz bis zu 600 Taliban zur Opposition übergelaufen sein.

Der britische Außenminister Jack Straw befürchtet ein „humanitäres Desaster“ in Kundus. Straw sagte gestern in Pakistans Hauptstadt Islamabad, mit dem pakistanischen Präsidenten Pervez Muscharraf und dessen Außenminister Abdul Sattar habe er die „Schwere der Situation“ in Kundus erörtert. Großbritannien habe aber keine Bodentruppen im Einsatz, um die Lage unabhängig zu überprüfen.

Die Nordallianz kündigte derweil die Entsendung von elf Vertretern zur kommenden Montag in Bonn beginnenden Afghanistan-Konferenz an. Zu der Delegation werde „mindestens eine Frau“ gehören. Von den ethnischen Minderheiten werde jeweils mindestens ein Vertreter an der „historischen Zusammenkunft“ auf dem Petersberg teilnehmen. Ziel der Gespräche sei die Schaffung „des Fundaments und des Konzepts einer Übergangsregierung“. Die Konferenz ist der erste Schritt zur Erfüllung eines Fünf-Punkte-Plans für die politische Zukunft des Landes, den die UNO in der letzten Woche vorgelegt hatte.

Mehrere Hilfsorganisationen und Ärzte warnen vor dem zunehmenden Krankheitsrisiko für zehntausende Flüchtlinge, die auf afghanischem Gebiet auf ihre Ausreise nach Pakistan warteten. Der Afghanistan-Direktor der Organisation „Islamische Hilfe“, Sikandar Ali, sagte, besonders Frauen und Kinder seien in den drei Flüchtlingslagern bei Spin Boldak nahe der pakistanischen Grenze von Unterernährung bedroht. Zwar werde kohlenhydratreiche Nahrung angeliefert, doch vor allem Kinder benötigten dringend Milchprodukte. Während ältere Frauen weitgehend ignoriert würden, seien die Männer wie in Flüchtlingslagern üblich überwiegend in relativ guter Verfassung, betonte Ali. Nach UN-Schätzungen sind in den bewachten Lagern bis zu 60.000 Menschen untergebracht. Das Welternährungsprogramm (WFP) startete seinen ersten Hilfsflug seit den Anschlägen am 11. September nach Afghanistan. Nach Angaben einer Sprecherin flog eine Maschine mit 17 Tonnen Mehl von Koljab in Tadschikistan nach Faisabad im Norden Afghanistans.

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