Sachzwänge, die Geld einbringen

Das neu erschienene Buch „Blohm & Voss im ,Dritten Reich'“ beleuchtet Entwicklung der Hamburger Werft im Nationalsozialismus – die Werft handelte stets im Sinne des Unternehmensinteresses  ■ Von Elke Spanner

In der Partei waren Rudolph und Walter Blohm nicht. Den Nationalsozialisten sollen die Besitzer der Hamburger Werft „Blohm und Voss“ zunächst sogar mit Skepsis begegnet sein. Mit deren Machtübernahme 1933 konnten sich die Brüder dennoch gut arrangieren: Ihrer Idealvorstellung entsprach ein starker Staat, der die Wirtschaft lenkt und sich dabei des unternehmerischen Sachverstandes bedient. Den stellten die Firmenchefs gerne zur Verfügung. Nach 1939 war es für sie dann selbstverständlich, ihren Betrieb an dem Staatsziel auszurichten, den Krieg zu gewinnen: „Es ist bekannt, dass niemand schärfer als ich vom ersten Kriegstage ab den Standpunkt vertreten haben kann, unter Zurückstellung jeglicher sonstigen Belange alles für den Krieg einsetzen zu müssen“, schrieb Rudolph Blohm 1944, als er längst in höchste Ämter der nationalsozialistischen Wirtschaft aufgestiegen war.

Der Sozialwissenschaftler Andreas Meyhoff hat in seinem Buch „Blohm & Voss im Dritten Reich“ die Wechselwirkung zwischen wirtschaftlicher und politischer Macht während des Nationalsozialismus anhand des Beispiels der Hamburger Werft untersucht. Er ist zu dem Schluss gekommen, dass von einem „uneingeschränkten Primat“ der Politik gegenüber der Wirtschaft im „Dritten Reich“ nicht gesprochen werden könne. Das nämlich würde unterschlagen, dass „sich die Interessen beider Bereiche lange weitgehend überschnitten und voneinander abhängig waren“.

Die Werft Blohm & Voss gehörte im Nationalsozialismus zu den wichtigsten Produzenten von Handels- und Kriegsschiffen. Dabei entsprach die Unternehmensentwicklung während des Dritten Reiches rein wirtschaftlich betrachtet nicht den Vorstellungen Blohms: In den Jahren 1933 bis 1936 waren die Bücher der Werft noch mit zivilen und militärischen Aufträgen gefüllt. Nach Erlass des so genannten Z-Plans der Kriegsmarine im Dezember 1938 aber, der die Konzentration auf den militärischen Schiffsbau legte, wurde der Bau von Handelsschiffen auf ein Mindestmaß zurückgeschraubt, um möglichst alle Kapazitäten für den Bau von Kriegsschiffen einsetzen zu können. Und als Blohm & Voss nach Beginn des zweiten Weltkrieges den Auftrag erhielt, fortan ausschließlich U-Boote zu produzieren, widersprach das zwar dem erklärten Unternehmensinteresse. Doch Blohms Motive, Hitler im Krieg zu unterstützen, hätten durchaus auch außerhalb des ökonomischen gelegen, schreibt Meyhoff in seinem Buch. So schwenkte die Werftleitung umgehend um. Blohm rühmte sich im September 1943 gegenüber dem Reichsstatthalter Karl Kaufmann, er habe sich nach Kriegsbeginn für den U-Boot-Serienbau eingesetzt, „solange vom U-Boot-Krieg ein entscheidender Einfluss auf die Kriegslage erwartet werden konnte“. Erst für einen aussichtslosen Krieg war Blohm dann laut Meyhoff nicht mehr bereit, sein Eigentum aufs Spiel zu setzen.

Schon gleich nach der Machtübernahme hätte die Skepsis der Brüder Blohm gegenüber den Nationalsozialisten abgenommen – als diese die organisierte Arbeiterbewegung beseitigten: Hitler versprach, die den Unternehmern läs-tigen Gewerkschaften zu entmachten. Der gesellschaftliche Widerspruch zwischen wirtschaftlicher Modernisierung und sozialer Ungleichheit sollte durch die „ideologische Klammer eines rassischen Nationalismus“ aufgehoben werden, der die „Volksgemeinschaft“ gegen postulierte äußere und innere Feinde abgrenze. Im Verlaufe der NS-Machtherrschaft waren die Blohms dann immer mehr bereit, eigene zunächst vorhandene, auch moralische Zweifel den bereitwillig akzeptierten „Sachzwängen“ des Krieges unterzuordnen: Sie stellten die Produktion auf U-Boot-Bau um, beschäftigten ausländische Arbeitskräfte und ließen schließlich sogar ein Zwangsarbeiterlager auf ihrem Werftgelände errichten. „Die anstandslos akzeptierten Sachzwänge des Krieges“, schreibt Meyhoff, „schliffen moralische Standards stufenweise ab“.

Die Geschichte der Werft ist im vergangenen Jahr durch die Diskussion um die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbei-terInnen ins Visier der Hamburger Öffentlichkeit geraten. Walther und Rudolf Blohm hatten nach dem Krieg behauptet, sich bis zum Herbst 1944 erfolgreich gegen den Einsatz von Zwangsarbeitern gewehrt zu haben. Am 14. August 1944 aber habe der Rüstungsstab den strikten Befehl dazu erteilt. Meyhoff hingegen hat recherchiert, dass der Einsatz von KZ-Insassen der Werftleitung keineswegs aufgezwungen wurde. Über den Einsatz von KZ-Häftlingen in der Hamburger Industrie hatte der lokale Wirtschaftsstab schon Wochen zuvor mit den Rüstungsdienststellen beraten – in Anwesenheit Rudolf Bohms. Der soll die Beschäftigung von KZ-Häftlingen auf der Werft zwar als etwas „Furchtbares“ bezeichnet haben. Dabei aber hätten ihn weniger moralische Bedenken bewegt als der Unwille dagegen, dass die Häftlinge ein Quartier auf dem Betriebsareal beziehen sollten.

Am 9. Oktober 1944 trafen die ersten KZ-InsassInnen bei Blohm & Voss ein. Etwa 40 Prozent der auf der Werft zur Arbeit gezwungenen KZ-Häftlinge überlebte nicht. In einem internen Bericht vermerkte Blohm positiv, dass die Produktivität der Zwangsarbeiter hoch sei, weil sie weit länger als die restliche Belegschaft arbeiten mussten und sich nur selten krank meldeten. In dem Fall hätte ihnen die Deportation in ein Vernichtungslager gedroht. Das allerdings ließ Blohm unerwähnt.

Andreas Meyhoff: Blohm & Voss im „Dritten Reich“. Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte, Christians Verlag, 608 Seiten, 68 Mark