Krank durch die Kollegen

■ Fachleute vom Arbeitsschutz warnen vor psychischen Belastungen im Beruf

Früher machten Schadstoffe, Lärm und schwere körperliche Arbeit krank. Heute geschieht das eher durch psychische Belastungen. Und obwohl das Arbeitsschutzgesetz seit 1996 vorschreibt, das zu berücksichtigen, ist das Thema in den meisten Betrieben noch unbearbeitet. Deshalb lud der Arbeitskreis für Arbeitssicherheit gestern zu einer Fachtagung ins CCH. Es kamen 400 Führungskräfte, Sicherheitsbeauftragte und Betriebsräte aus verschiedenen Hamburger Betrieben.

Unter- und Überforderung, Zeitdruck, Fremdbestimmtheit, soziale Konflikte und Unsicherheit des Jobs sind Faktoren, die kurzfristig zu einem höheren Unfallrisiko, zu Unwohlsein und verminderter Leistung führen können. Längerfristige Folgen können Magen-Darm- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselkrankheiten oder ein defektes Immunsystem sein.

Auch deshalb fordern die Experten, dass sich mehr Betriebe dem Thema psychischer Belastungen am Arbeitsplatz stellen. Alfons Grösbrink von der Berufsgenossenschaft Bahn, Geschäftsführer des Arbeitskreises, berichtet über die Fahrer von U-Bahnen, vor deren Zug sich jemand gestürzt hat: „Noch vor fünf Jahren hat sich niemand um sie gekümmert.“ Mit der Folge, dass sie wegen dieses Traumas bis zu anderthalb Jahren krank waren. „Jetzt sind die meisten nach acht Wochen wieder da“, sagt Grösbrink. Erstbetreuer kümmerten sich darum, dass die Fahrer bei Bedarf sofort an einen Therapeuten weitergeleitet würden.

Wolf-Dieter Malmberg vom Amt für Arbeitsschutz, weist darauf hin, dass Stress ein Massenphänomen ist, auch in Büros: Monotonie, Unterforderung, fehlende Entscheidungspielräume, aber auch ständig abstürzende Computer sowie eine Software, die nicht auf ihren Benutzer ausgerichtet ist, verursachten Stress. Und so sind auch Call Center im Visier der Arbeitsschützer: „Dabei geht es um eine Software, die den Arbeitstakt vorgibt, um Arbeitsverdichtung, um Fremdbestimmung durch die EDV und das Gefühl der Kontrolle“, sagt Peter Egler, Betriebsarzt bei der HanseMerkur Versicherungsgruppe.

Nicht immer, darin sind sich die Experten einig, lassen sich die Verhältnisse ändern. Also müssen das manchmal die Mitarbeiter tun. Sabine Gregersen von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege berichtet von einem Projekt, in dem Altenpfleger lernen, mit den Belastungen ihrer Arbeit gelassener umzugehen. Sandra Wilsdorf