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Aneinander gekettet

■ Ein neues Buch porträtiert die Schwestern Behrend

Nein, es ist wohl kein Zufall, dass die Biografien jener Frauen, denen die Bremer Journalistin und Autorin Ursula El-Akramy, Jahrgang 1951, einen großen Teil ihrer Arbeitszeit widmet, weit weniger bekannt sind als die der Männer, die sie umgeben. Sie sind mit ihnen verheiratet oder befreundet, sie arbeiten mit ihnen. Doch werden sie vom Ruhm geschluckt, den die Nachwelt den Herren angedeihen lässt. Nach „Steffin“ und „Langgässer“ hat die Biografin ein neues Buch herausgebracht. Es handelt von zwei Schwestern, den „Schwestern Behrend“. Gewohnt materialreich und gut recherchiert schreibt El-Akramy nicht nur individuelle, sondern auch Familien- und Zeitgeschichte. Sie zeichnet nach, fragt, wertet, bettet in Kontexte ein. Dabei erzählt sie nachvollziebar und besonnen. El-Akramys Biografien sind keine Schnellschüsse.

Die Schriftstellerin Alice und die Malerin Charlotte Behrend sind Töchter aus wohlhabendem jüdischem Berliner Hause. Ihre Biografien sind brüchig, wie das Umfeld, in dem sie aufwachsen – eine „deutsch-jüdische Symbiose“ erweist sich nicht erst in den frühen 1930er Jahren als trügerisch –, aber auch wie das Verhältnis der beiden Frauen untereinander. Die Familiengeschichte, die bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgt wird, ist auch ein Lehrstück für Aufstieg und Fall der bürgerlichen Klasse. Die Schwestern rangen miteinander – um Erfolg und Anerkennung. Beides bleibt nicht aus: Charlotte wird Mitglied der Sezession, heiratet den Maler Lovis Corinth, stellt regelmäßig aus. Alice avanciert zur Erfolgsautorin des S. Fischer Verlags. Es gehört zu den Stärken dieser Doppelbiografie, wie El-Akramy die Zäsur beider Laufbahnen beschreibt, die mit dem Nationalsozialismus einhergeht und das folgende Exil, das die Schwestern zusammenführt, ohne die gewichtigen Unterschiede der Charaktere hinten überkippen zu lassen.

Beide gehen zunächst nach Italien. „Während (die todkranke) Alice nicht einmal Mittel für dringend benötigte Arzneien aufbringen konnte, reiste Charlotte sorgenfrei zwischen Venedig und Rom, zwischen Neapel und Sizilien.“ El-Akramy vermisst schwesterliche Solidarität, doch für „Ali, wie Charlotte ihre Schwester als Kind genannt hatte, gab es keinen Platz in diesem Leben“. Alice Behrend stirbt 1938, Charlotte geht nach New York. Zwei „aneinander gekettete“ Lebenswege. tsc

Ursula El-Akramy stellt „Die Geschwister Behrend. Geschichte einer Berliner Familie“ um 17 Uhr in der Bremer Kunsthalle vor.

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