Dezent ironischer Remix

Benjamin von Stuckrad-Barre spielte sich im Berliner Ensemble selbst und Harald Schmidt gab Claus Peymann

Am Sonntagmorgen gedachte man noch Thomas Braschs, am Abend kam dann Benjamin von Stuckrad-Barre gleich zweimal im „Berliner Ensemble“. Benjamin von Stuckrad-Barre spielte Benjamin von Stuckrad-Barre in dem von ihm geschriebenen „Dramolett“ „Claus Peymann kauft sich keine Hose, geht aber mit mir essen“. Das zwanzigminütige Stückchen war dem bernhardschen „Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen“ nachempfunden und wurde zweimal gegeben.

Harald Schmidt spielte Claus Peymann, und Manuel Andrack, der in der Schmidt-Show immer so angenehm rüberkommt, war der Hosenverkäufer. Es waren viele gekommen, weil da zwei Prominente auf dem Programm standen, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt.

Es ist ja auch wirklich interessant, Leute in echt zu sehen, die man nur aus dem Fernsehen kannte, von denen man nie genau weiß, ob es sie in Wirklichkeit gibt, weil die Beziehungen, die man zu ihnen aufbaut, doch eher einseitig sind.

Egal. Die Veranstaltung war ein Ereignis. Viele Promis waren auch gekommen: Henryk M. Broder zum Beispiel (diesmal ohne Ami-Flagge), Christoph Schlingensief und andere, die auch wichtig sind und überall dabei, wie mein Platznachbar sagte und klagte: „Ist ja immer dasselbe.“ Es genügt, ein paar Promis zu holen, man wird kommentiert, bekrittelt usw. und das nimmt dann viel Raum ein in den Feuilletons und stiehlt diesen Raum dann anderen Dingen und Leuten, die vielleicht interessanter wären, denkt man so vor sich hin. Oder dass Promis im Kulturleben das sind, was die Amis in Sachen Globalisierung sind, oder warum spielt denn Dieter Bohlen nicht Peymann oder Peymann Dieter Bohlen oder Veronika Feldbusch Claudia Roth? Oder: kommst du dir denn nicht bescheuert vor, Mann mit dem Mikro, die Leute zu fragen, wie sie jetzt alles gefunden hätten?

Und dass am Samstag, als der Abend, von dem hier die Rede ist, längst ausverkauft war, der Theaterdirektor Claus Peymann auf „Fritz“ stundenlang in einem Interview Reklame für das Stück machen sollte, in dem er, Peymann, von Harald Schmidt gegeben wird – was soll’s, zurück zu den „Fakten“ und als Rezensent kann man ja nicht meckern, einmal Benjamin von Stuckrad-Barre hingeschrieben, gibt schon mal eine Mark fast. Das Stück hatte eine Vorgeschichte.

Am 17. März erschien der Benjamin-von-Stuckrad’sche Text „Claus Peymann kauft keine Hose, geht aber mit essen“ in der FAZ. Der Text war sozusagen ein dezent ironischer Remix des Thomas Bernhard’schen Klassikers „Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mir mir essen“. Man denkt: Wahnsinn, sind die egomanisch; dieser Peymann aber auch. Andererseits beschreibt Bernhard in seiner tollen Sprache wunderbar diese krasse produktive Ambivalenz innerhalb der Kultur; sie und ihre Protagonisten als Teil des Systems, aus dem man nicht rauskommt. Mittlerweile ist diese Ambivalenz, die vor 15 Jahren noch provozierte, im großstädtischen Kulturbetrieb verbreitet. Stuckrad-Barre hatte also für seinen FAZ-Text das bernhardsche Setting mit lustigen Brechungen nachgestellt. Sich beim Herrenausstatter Selbach am Kudamm mit Peymann verabredet usw.

Der eitle Theaterdirektor hatte seinen Interviewer unterschätzt und allerlei selbstparodistischen Unsinn über Zegna-Hosen, Zimmerli-Unterhosen und 180-Mark-T-Shirts von sich gegeben. Der ummontierte Text, der dann in der FAZ erschien, war prima. Harald Schmidt wollte den Text seines ehemaligen Gagschreibers auf seine Internetseite stellen. Die FAZ erlaubte das nicht. Deshalb drängte Harald Schmidt zur theatralischen Umsetzung des Artikels, die dann Mitte Juni in seiner Show stattfand. Das fand Peymann dann wieder alles super und lud die Produktion in sein Theater ein, in dem seit Mai das bernhardsche Original läuft. Das war alles also ziemlich absurd – als Selbstreklame, die es nicht nötig hat, ihre Mechanismen zu verbergen – und lustig anzusehen.

Benjamin von Stuckrad-Barre wirkte sympathischer, vor allem auch kleiner als im Fernsehen, Harald Schmidt hat eine ausgesprochen angenehme Bühnenpräsenz. Nach viel Beifall stand auch Peymann mit auf der Bühne. Irgendwie spinnen die alle.

DETLEF KUHLBRODT