Nieselregen und Dixiemusik

Protest auf dem Gendarmenmarkt: Polizisten und Bundeswehrsoldaten demonstrieren zum ersten Mal gemeinsam. Rund 25.000 Uniformierte fordern mehr Geld für innere und äußere Sicherheit

von PLUTONIA PLARRE

Grün-weiß, so weit das Auge reicht: Der Anblick des Gendarmenmarkts erweckte gestern beim Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Karsten Freiberg, höchste Glücksgefühle. „Eine solche Polizeidichte ist wahrlich ein schönes Bild“, rief er mit fast überschlagender Stimme ins Mikrofon. „So müsste es in Berlin und im Bundesgebiet immer aussehen.“

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik haben Polizisten und Soldaten der Bundeswehr gemeinsam gegen Sozialabbau und Versorgungskürzungen protestiert. Polizeigewerkschaft und Bundeswehrverband, die zu der Kundgebung auf dem Gendarmenmarkt aufgerufen hatten, sprachen von 25.000 Teilnehmern. Aus allen Teilen der Bundesrepublik waren sie mit Reisebussen nach Berlin gekommen und standen nun bei Nieselregen und Diximusik auf dem Platz. Die grünen Uniformen und gefleckten Tarnanzüge waren fast durchgeweicht, als sich die Altvordern endlich auf der trockenen Tribüne zum Rednerpult begaben, um dem „selbst ernannten Sicherheitspapst Otto Schily“ den Marsch zu blasen.

Schily will die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge von derzeit 75 auf 71,5 Prozent absenken, die Witwenbezüge sollen von 60 auf 55 Prozent fallen. „Ausverkauf der inneren und äußeren Sicherheit“ nannte das GdP-Chef Freiberg. Es sei „ein wahrhaft historischer Moment“, dass Polizisten und Soldaten gegen dieses Vorhaben gemeinsam ihre Stimme erhöben. „Wir halten 40 Jahre den Buckel hin, machen rund um die Uhr Schichtdienst, und dann kürzt man uns die Pensionen. Pfui, schämt euch, ihr Politiker!“, rief Freiberg.

Die mögliche neue Berliner Ampelregierung bekam ebenfalls ihr Fett weg. SPD, Grüne und FDP nähmen „eine schändliche Rolle“ beim Sozialabbau ein. 900 Stellen beim Landespolizeiverwaltungsamt sollten in Berlin gestrichen, der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen solle aufgehoben werden, kritisierte Freiberg. Der Gipfel sei, dass die Polizeibeamten der geschlossenen Einheiten gekennzeichnet werden sollen. Damit würde „billigend in Kauf genommen“, dass die Beamten und deren Familien „bedroht“ und „durch willkürliche Anzeigen von Chaoten falsch bezichtigt“ würden. Und das alles nur, um eine „parteipolitische Klientel aus dem alternativen Bereich“ zu befriedigen. „Sind Sie denn von allen Geistern verlassen?!“, rief Freiberg Bürgermeister „Wowi“ zu. „Das ist nicht gut.“ Die Menge reagierte mit großem Gelächter.

Kaum aber war der letzte Redebeitrag verklungen, strebten die Uniformierten schon zurück zu ihren warmen Bussen. Zurück blieben verstreute Plastikschüsseln von der kostenlos ausgegebenen Erbsensuppe und ein zufriedener Einsatzleiter. Vorkontrollen seien bei den Kollegen nicht nötig, so Helmut Bauer: „Die wissen sich zu benehmen und graben keine Pflastersteine aus.“