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Alleskönner aus der Petrischale

Die geklonten Zellen seien „kein menschliches Leben“, versichern die US-amerikanischen Forscher eilig. Das freilich sehen ihre Kritiker anders

von MATTHIAS URBACH

Es war eine reine Frage der Zeit, nun ist es offenbar passiert: Menschen wurden geklont. Der US-amerikanischen Firma Advanced Cell Therapy (ACT) gelang es nach eigenen Angaben, mehrere Embryonen zu entwickeln. Allerdings wurden diese nicht sehr alt: Keiner überlebte länger als fünf Tage.

Nun geht es dem ACT-Chef Michael West nicht darum, einen erwachsenen Menschen zu erschaffen. Vielmehr will er Stammzellen gewinnen, die Alleskönner unter den menschlichen Zellen. Daraus möchte er Hautgewebe, Drüsengewebe sowie Herz- wie Nervenzellen entwickeln. Sie könnten einmal helfen bei Verbrennungen, Diabetes, Parkinson oder Leukämie. „Wissenschaftlich, biologisch gesprochen, sind die Einheiten, die wir erschaffen, keine Individuen“, sagt West. „Sie sind bloß zelluläres Leben, sie sind kein menschliches Leben.“ Das freilich sehen seine Kritiker anders.

Doch selbst zur Gewinnung von Stammzellen wurden die Embryonen nicht alt genug. Dazu müssen sie sich erst nach gut einem Dutzend Zellteilungen zu Blastozyten entwickeln, in denen sich zwei Typen von Zellen gebildet haben – eine davon wäre die Stammzelle. Entsprechend harsch fiel die Kritik der Experten aus. „Ein kompletter Fehlschlag“, sagte George Seidel von der Colorado State University gegenüber der New York Times. West und sein Team seien gerade so weit vorangekommen, wie zu erwarten war. Ian Wilmut, der Schöpfer des Dolly-Schafs, erklärte gegenüber der BBC, erst wenn die geklonten Embryonen sieben Tage überlebten, könne man von einem Erfolg sprechen.

Das hindert jedoch ACT nicht daran, in der Überschrift ihrer Presseerklärung von einem „wichtigen Meilenstein beim therapeutischen Klonen“ zu reden. Erst etwas später räumt man kleinlaut „vorläufige Ergebnisse“ ein. Dass keiner der entwickelten Embryonen älter als fünf Tage wurde, wird ganz unterschlagen. Stattdessen liest man nur den Satz: Die vorgelegte Studie „liefert keine Daten über die Isolierung von Stammzellen“.

Natürlich geht es auf diesem wissenschaftlichen Terrain auch um Prestige – und um Investorengelder. Trotzig meldete sich gestern auch das von einer Sekte geleitete Institut Clonaid zu Wort. Man habe ebenfalls Embryonen geklont, es bislang nur nicht publiziert, erklärte dessen Direktorin Brigitte Boisselier, die nicht nur an ihre wissenschaftliche Brillanz, sondern auch an Ufos glaubt. Bereits 1998 behaupteten Wissenschaftler von der Kyunghee-Universität in Südkorea, sie hätten einen Menschen geklont, er habe es bis zum Vierzellenstadium gebracht. Auch Michael West von ACT lehnt sich nicht zum ersten Mal aus dem Fenster. Bereits im Juli hatte er erklärt, seine Firma habe „menschliche embryoartige Einheiten“ geschaffen. Nun heißt es dagegen, der Durchbruch sei erst am 13. Oktober gelungen.

Nun handelt es sich bei ACT allerdings um eine renommierte Firma, die bereits mehrfach Erfolge vorweisen konnte: So verhalf sie 1998 zwei genmanipulierten und dann geklonten Kälbern in die Welt. Ebenfalls 1998 meldete ACT die Entwicklung menschlichen Erbguts in einer Kuheizelle.

Auch jetzt wieder legt ACT ihre Veröffentlichung gemeinsam mit zwei Forschern der Firma Duncan Holly Biomedical of Sommerville vor. Und zwar im Journal of Regenerative Medizine, wo die Veröffentlichungen von anderen Wissenschaftlern gegengelesen werden. Demnach beschritt die Firma zwei Wege. Dafür hatten sie Frauen für 3.000 bis 5.000 Dollar pro Person insgesamt 71 Eizellen abgekauft. Die erste Methode entsprach dem klassischen Klonen wie beim Dolly-Schaf: Dafür lösten die Wissenschaftler aus 19 Eizellen das Erbgut heraus und injizierten das Erbmaterial von Zellen einer anderen, erwachsenen Person. Nur in drei Fällen kam der entstehende Embryo über das Einzellstadium hinaus – und wurde mit bis zu sechs Zellen auch nicht besonders groß.

Bei der zweiten Methode behandelte man die gespendeten Eizellen so, dass sie ohne eine Befruchtung zu Embryonen heranreiften. Mit einer Chemikalie wurde die Zellteilung in insgesamt 22 Eizellen angeregt. Immerhin sechs davon überlebten fünf Tage lang. Das war es dann aber auch schon. Bei beiden Methoden geht es darum, Stammzellen zu gewinnen, die dem Patienten genetisch entsprechen. Die zweite Methode käme demnach nur bei jüngeren Frauen in Frage.

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