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US-Brückenkopf per Helikopter

Auf verbündete Kriegsherren allein wollen die USA im Süden nicht mehr setzen und schicken Bodentruppen nach Kandahar – in die Operation „Schnelle Freiheit“

BERLIN taz ■ Die Operation „Dauerhafte Freiheit“ – der pathetischen Titel der Pentagon-Planer für den so genannten „Krieg gegen den Terror“ – ist zwar auf lange Zeit angelegt, aber zumindest in Afghanistan geht es nach dem Geschmack der Pentagon-Plannern offenbar nicht schnell genug. US-Marineinfanteristen sollen dies jetzt ändern. Mit der Operation „Schnelle Freiheit“ (Swift Freedom) landeten die ersten Marineinfanteristen auf einem Flugplatz südwestlich von Kandahar. Die letzte Schwelle zu einem Bodenkrieg mit direkter Beteiligung von US-Truppen wurde damit überschritten.

„Wir sind gelandet und halten jetzt ein Gebiet in Südafghanistan“, verkündete der Kommandierende US-General James Mattis gestern an Bord der „USS Peleliu“ – eines der US-Kriegsschiffe der Marines, die vor der pakistanischen Küste auf ihren Einsatz warteten. Neben Hubschraubern sind die Marines auch mit leichten gepanzerten Truppentransportern ausgestattet. Außerdem verfügen die Marines auch über „Harrier Jets“, die senkrecht starten und deshalb keine langen Start- und Landebahnen benötigen.

Bereits seit Wochen, nach einigen Berichten sogar vor Beginn der US-Luftangriffe am 7. Oktober, operieren US-Soldaten am Boden. Bislang waren die Einsätze jedoch auf sehr kleine Spezialkommanods beschränkt. Ihre Aufgabe war es, Ziele für die Bombardements ausfindig zu machen und afghanische Gruppen auszurüsten, deren Kommandeure bereit waren, gegen die Taliban zu kämpfen. Außerdem sollten sie deren Vorgehen mit den US-Luftangriffen koordinieren. Viele dieser kleinen Spezialeinheiten wurden nur für kurze Einsätze per Hubschrauber ins Land gebracht. Die einzige dauerhafte US-Präsenz stellten die den Kämpfern der Nordallianz zugewiesenen Spezialeinheiten im Norden des Landes.

Nach dem Rückzug der Taliban aus Kabul gab das Pentagon mehr Informationen über die eigentlich verdeckt operierenden Einheiten heraus. Sie sollten die Bewegungsfreiheit von Gruppen der Taliban und der al-Qaida einschränken und dafür eingesetzt werden, mögliche Verstecke von Ussama Bin Laden im Süden Afghanistans abzusuchen. Vor einer Woche plauderte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld aus, dass Spezialeinheiten auch einen direkte Kampfauftrag haben: „Sie töten Taliban, die sich nicht stellen, und Al-Qaida-Mitglieder, die unterwegs sind.“

Dennoch hofften die Pentagon-Planer darauf, auch im Süden Afghanistans ausreichend Unterstützung unter den lokalen Warlords zu finden. Möglicherweise werden jetzt Bodenttruppen eingesetzt, weil es den US-Spezialkommandos und den ebenfalls in Afghanistan eingesetzten Einheiten des US-Geheimdienstes CIA bislang nicht in dem erhofften Ausmaß gelungen ist, die notwendige Unterstützung zu finden. Gleichzeitig düfte das Pentagon aber die für die Taliban kämpfenden Gruppen für so geschwächt halten, dass es glaubt, riskieren zu können, ein größeres Kontingent zu stationieren.

Die riskante Stationierung überrascht auch Militärexperten in Washington. Über ihre geplante Funktion darf gerätselt werden. Eine direkte Unterstützung lokaler Anti-Taliban-Kämpfer bei einer Einnahme von Kandahar gehört sicher nicht zu den Prioritäten. Schon deshalb, weil ein Straßenkampf innerhalb der Stadt das Risiko vieler Toter und Verletzter unter den US-Truppen noch weiter erhöht. Denkbar ist, dass die Marines die Grenze zu Pakistan absichern sollen, um so ein Entkommen der Al-Qaida-Führung zu verhindern – soweit sie noch im Land ist. Zunächst sollen die neuen US-Bodentruppen aber wohl den Flugplatz bei Kandahar absichern, um dort den US-Spezialeinheiten eine sichere Rückzugsbasis für kurzfristige Einsätze zu schaffen.

ERIC CHAUVISTRÉ

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