: Lüst-Stern am Himmel
■ Bürgermeister Scherf ernennt den Physiker Reimar Lüst zum sechsten Nachkriegs-Ehrenbürger Bremens. Die Ehrung im Rathaus gerät zur Lobeshymne auf die IUB
Der 24. Ehrenbürger Bremens ist 78 Jahre alt und hat bereits einen Platz am Firmament – Planetoid 4-3-8-6 ist nach ihm benannt. Etwas irdischer ist die Auszeichnung, die der Professor für Theoretische Physik gestern verliehen bekam. Bürgermeister Henning Scherf (SPD) überreichte ihm im Rathaus die Ehrenbürgerurkunde.
Zur Weltraumforschung kam der heute in Ost und West gleichermaßen angesehene Spezialist durch seinen Doktorvater Carl Friedrich von Weizsäcker. Zur Ehrenbürgerschaft der Hansestadt hingegen verhalf ihm neben seinen „Ver-diensten um den Luft- und Raumfahrtstandort Bremen“ sein Engagement für die International University Bremen (IUB) in Grohn.
„Ein großes Projekt“, meint Bürgermeister Henning Scherf (SPD) stolz dazu. „Wir wollen die Arbeitslosen aus den niedergegangenen Werftgebieten orientieren – wenigstens ihre Kinder.“ Scherf selbst hatte Lüst, „unseren Pastorensohn aus Wuppertal“, um seine Mitarbeit an der ersten Privat-Universität Europas gebeten. Scherf war es auch, der Lüst im Sommer als neuen Ehrenbürger vorschlug. Und Scherf engagierte den Alt-Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker (CDU), Bruder des Carl Friedrich, als Laudator für die Feierstunde. „Die ganze Stadt freut sich“, ist sich Scherfs Sprecher Klaus Schloesser sicher.
Weizsäcker, so freute sich der Bürgermeister nach der Laudatio des Altpräsidenten, habe Lüst und Bremen „zusammengebunden“. Abgesehen von seiner beruflichen Tätigkeit, die sich bisweilen an der Weser abspielte, hatte Lüst nämlich nie sonderlich viel mit Bremen zu tun. Er kannte sie vom Umsteigen, wenn er als Kind seine Ferien auf den ostfriesischen Inseln verbrachte. Und die Max-Planck-Gesellschaft, deren Präsident er in den 70-er Jahren war, hielt in Bremen bisweilen ihre Versammlungen ab. Seine Beziehung zu der Hansestadt sei eher zufälliger Natur, wiegelte Lüst ab: „Ich wollte nur meine eigenen Ideen umsetzen“. Zweimal hatte er die Chance, Ideen umzusetzen, beide Male „ausgerechnet hier in Bremen“, freute sich Lüst: Er ist immer ein Verfechter eines nationalen Raumfahrtprogramms und einer an amerikanischen Vorbildern ausgerichteten Universität gewesen.
Vor 25 Jahren hatte man ihm den Vorsitz der ERNO Raumfahrttechnik GmbH angetragen. Da machte er zur Bedingung, dass der damalige Bürgermeister Hans Koschnick mit ihm in den Aufsichtsrat einziehen sollte. Koschnik akzeptierte, und Lüst baute am „Spacelab“ und an der „Ariane“-Rakete mit.
Ähnlich ein knappes Vierteljahrhundert später. Der langjährige Präsident der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, der Weizsäcker zufolge „keine Angst vor dem Gedanken der ,privaten Elite' hatte“, war bekannt als Verfechter einer Universität, die das Interesse der Wissenschaft mit dem der Wirtschaft zusammenbringen soll. Als Scherf um Lüsts Beteiligung am IUB-Projekt warb, stellte Lüst Bedingungen – Scherf akzeptierte. Seitdem ist der Physiker Chef des „Board of Gouvernors“, zu Deutsch: des Aufsichtsrats der IUB.
Lüst ist nach Rudolf Alexander Schröder (1948), Anton Kippenberg (1949), Wilhelm Kaisen (1965), August Hagedorn (1966) und Hans Koschnick (1999) der sechste Ehrenbürger Bremens seit 1945 und schon der zweite in dieser Legislaturperiode.
Senatssprecher Klaus Schloesser sieht dennoch keine neue Ehrenbürgerwelle auf die Hansestadt zukommen und witzelt: „Die zählen auch beim Länderfinanzausgleich nicht mit.“
Armin Simon
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