: Wie werde ich Milliardär?
Der Mammon als Motto eines Aufführungsmarathons im carrousel Theater
Weil Geld die Welt regiert, der Euro bald da und Berlin finanziell klamm ist und gern an seinen Theatern spart, hat das carrousel Theater den schnöden Mammon zum Motto der gesamten Spielzeit erkoren. Um Kohle dreht sich alles während des Theatermarathons „Schwarze Nächte Geld“, der sieben Inszenierungen in sechs Stunden zum Thema bietet. Was aber kostet die Welt? Vielleicht elf Millionen?
Die haben Rosa und Max im Lotto gewonnen. Deshalb schließen sie ihre Imbissbude „wegen Reichtum“, hängen ihr Werbeschild „Schlemmerparadies“ ab und suchen ein neues Paradies. Weil der erste Akt von „Wegen Reichtum geschlossen“ nach Tankred Dorst draußen spielt, fährt eine riesige Limousine vor. Max will in alle Welt. Rosa nach Fürth. Da hat Quelle seinen Hauptsitz. Später geht das Stück als Film weiter, der zeigt, wie sich die beiden aus Fernsehen und Illustrierten bekannte Attribute des Reichtums kaufen. Zum Beispiel ein Theater. Damit geht das Treiben auf der Bühne wieder los. Bis der Traum aus und alles zum Fenster rausgeworfen ist. Abgezockt von Geldhaien.
Die spielen auch bei Brecht eine Rolle, der „Dansen/Was kostet das Eisen“ Ende der 30er-Jahre schrieb. Und siehe da: Nichts hat sich geändert, politische Entscheidungen sind heute nicht weniger als damals ökonomischen Interessen untergeordnet.
Warum aber hat Uwe Cramer das Stück mit vor allem überbordender Akustik voll gestopft? Etliche Textpassagen sind so kaum zu verstehen. Vielleicht ist die Verwirrung ja Programm.
Das Gegenteil ist bei dem Stück „Scheuklappen I – Rheinsberg 2002“ der Fall, für das Manuel Schöbel den Text unter Verwendung von Material Rheinsberger Schüler schrieb. Theaterleute waren Monate lang in der Tucholsky-Stadt unterwegs, boten Schreibworkshops an, hielten fest, was die Jugendlichen erzählten: von erster Liebe, Enttäuschung, Geldnot, Jungnazis, Gewalt in der Familie oder einer Schwangerschaft mit 15.
Mandy zum Beispiel hat zu Silvester zwei Karten für ein Musikprogramm für Muttern besorgt. Doch die will ihre Neubauwohnung nicht mehr verlassen. Betrinkt sich lieber wie immer und faselt von vergangenen Zeiten. Denn nach 1989 kamen nur Umschulungen und ABM, „Park aufräumen und Wald fegen“. Die Rotkäppchen schüttende Mutter hofft nur noch eins: dass Mandy eine Lehrstelle im Westen findet, bevor sie schwanger wird.
Die zweite Entdeckung des Theatermarathons ist das von Michael Funke in Szene gesetzte Stück „Bungee Jumping oder Die Geschichte vom Goldenen Fisch“ des Esten Jaan Tätte. Darin bitten Laura und Roland nachts völlig durchnässt in einem einsamen Haus um Unterschlupf. Der Hausherr bietet Roland eine Milliarde für Laura. Die könnte dann im Luxus leben. Klar, wie sich beide entschließen. Man weiß ja, was Geld aus Menschen machen kann. ANDREAS HERGETH
Bis 7. Dezember, jeweils 18 Uhr bis 24 Uhr, carrousel Theater Berlin, Parkaue 29
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