Marsch auf Madrid gegen Uni-Gesetz

350.000 Studenten und Dozenten protestieren gegen das neue spanische Hochschulrahmengesetz. Was die Regierung als Qualitätssteigerung preist, halten sie für einen Angriff auf die Unabhängigkeit der Universitäten

MADRID taz ■ „Nachher sagt ihr wieder, wir seien nur eine Hand voll“, skandierten die Teilnehmer einer landesweiten Demonstration am Samstag gegen das neue spanische Hochschulrahmengesetz. Noch am Vortag hatte Bildungsministerin Pilar de Castillo das Scheitern des „Marschs auf Madrid“ prophezeit, zu dem Gewerkschaften und über 30 Studentenorganisationen die Studenten und Beschäftigten an den Universitäten gerufen hatten. Die Zahlen sprechen gegen sie: Unter den 350.000 Teilnehmern waren Delegationen der Leitung von 42 der 50 öffentlichen Hochschulen. 25 Direktoren nahmen am größten Protest gegen die Politik der regierenden konservativen Partido Popular (PP) unter dem Motto „Für öffentliche Qualitätsuniversitäten“ teil.

Studenten und Dozenten sehen im neuen Hochschulrahmengesetz, das die Regierung als Mittel zur Hebung der Studienqualität anpreist, einen Angriff auf die Unabhängigkeit der Unis. Künftig sollen mehr Fördermittel aus Industrie und Wirtschaft zur Finanzierung der Fakultäten herangezogen werden. Die öffentliche Finanzierung bleibt eine der niedrigsten in der EU. Spanien gibt 1,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Hochschulen und 0,9 Prozenten für Forschung aus. Im OECD-Schnitt sind es 1,6 und 2,2 Prozent.

Außerdem fürchten Rektoren und Studenten eine verstärkte Hierarchisierung und Zentralisierung der Hochschulpolitik. Die Befugnis der Selbstverwaltungsgremien in wirtschaftlicher Hinsicht wird eingeschränkt, der Einfluss der Regionalverwaltungen auf die Hochschulen zurückgedrängt. Private Universitätsgründungen, allen voran der katholischen Kirche, werden erleichtert. Um zu sparen, sollen mehr Teilzeitdozenten angestellt werden. Jetzt hat jeder Dritte keinen Festvertrag. Künftig sollen es 49 Prozent sein.

Ministerin de Castillo hoffte zumindest die Studenten und Schüler für sich zu gewinnen, indem sie die gefürchtete zentrale Aufnahmeprüfung für Spaniens Universitäten abschaffte. Fortan soll jede Uni ihre eigenen Zugangskriterien erstellen. Die Schüler befürchten, dass sich einige Unis, wie bereits die privaten Hochschulen, die Studenten nach anderen als nach Wissenskriterien aussuchen könnten.

Gewerkschaften, Opposition sowie die Betroffenen fühlen sich von Ministerin de Castillo übergangen. Das Gesetz wurde in Rekordgeschwindigkeit durch das Parlament gepeitscht. „Es kommt der Moment, wo das Parlament entscheiden muss“, erklärte de Castillo nach dem Protesten vom Samstag.

REINER WANDLER