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Entwicklungshilfe bekommt Entwicklungshilfe

Nach einem Stufenplan will die Bundesregierung das kleinste Ministerium künftig mit mehr Mitteln ausstatten. Der Zeitrahmen ist noch unklar

BERLIN taz ■ Die Bundesregierung will den Etat für Entwicklungshilfe stufenweise anheben. „Wir wollen uns eine feste Frist setzen“, sagte Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) gestern vor Journalisten. „Wenn es solche Fristen nicht gibt, werden bestimmte Ziele nie erreicht.“ Auch die anderen EU-Länder wollen Pläne erarbeiten, wie und in welchem Zeitraum sie das international vereinbarte 0,7-Prozent-Ziel erreichen wollen. Mitte März treffen sich alle großen Geberländer in Mexiko, um über Entwicklungsfinanzierung zu beraten und die Pläne abzustimmen.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) selbst, dem das Thema Entwicklungshilfe sonst kaum am Herzen liegt, hatte bereits auf dem SPD-Parteitag im November das 0,7-Prozent-Ziel wieder ins Spiel gebracht. Der Bundestag habe dies „begrüßt“, sagten die Fraktionsvorsitzenden der Regierungskoalition, Peter Struck (SPD) und Kerstin Müller (Grüne). Die Debatte hatte kaum Beachtung gefunden, weil Schröder am selben Tag die Vertrauensfrage stellte.

Hinzu kommt, dass seit Ende der 70er-Jahre jede deutsche Regierung beteuert hat, sie wolle für ihren Entwicklungsetat 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts aufbringen. Die Zahl steht auch im rot-grünen Koalitionsvertrag. Doch die Realität sieht anders aus: Gleich im ersten Jahr nach dem Regierungswechsel schrumpfte der Haushalt des Entwicklungsministeriums (BMZ) um über 8 Prozent. Für 2002 steigen die Mittel geringfügig, weil die Hilfe für Afghanistan aufgestockt wurde.

Dieses Jahr liegt der Anteil der Entwicklungshilfe am BIP bei 0,27 Prozent – 0,1 Prozentpunkt höher als 1999. Nächstes Jahr wird er leicht steigen, wenn auch kaum über 0,3 Prozent. Auch dem jüngsten Anlauf, mehr Entwicklungshilfe zu leisten, wird sich einer in den Weg stellen: Hans Eichel (SPD), Finanzminister und Haushaltschef. Der denkt verzweifelt darüber nach, wo er noch sparen oder umschichten kann, um seine eigenen Fristen beim Sparprogramm einzuhalten. Mehr als die Sondermittel für Afghanistan, die aus den Einnahmen aus einer höheren Tabak- und Versicherungssteuer fließen, wird er nicht locker machen.

Einige europäische Länder haben das 0,7-Prozent-Ziel schon erreicht: An der Spitze liegen die Holländer mit 0,82 Prozent. Es folgen die skandinavischen Länder und Luxemburg, deren Entwicklungsetats ebenfalls über der Marke liegen. Als Vorbild nennt Wieczorek-Zeul Großbritannien: Dort sei der Anteil innerhalb von einem Jahr von 0,24 auf 0,32 erhöht worden.

Trotz seiner im Verhältnis zum BIP geringen Ausgaben für Entwicklungshilfe ist Deutschland weltweit das drittgrößte Geberland. Nach Angaben der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gab es im letzten 11 Milliarden Mark für Entwicklungshilfe aus. Auch im weltweiten Vergleich steht Deutschland nicht so schlecht da: Nach OECD-Berechnungen vergaben die 22 Geberländer 2000 durchschnittlich 0,22 Prozent ihres BIP an arme Länder.

KATHARINA KOUFEN

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