Der Elefant ist vom Eis

Die Eröffnungsfeier im Tempodrom zeigt, was das Haus zu bieten hat. DJs, Rüsseltiere, Akrobaten und die zwölf Roma des Tanzorchesters Fanfare Ciocarlia feiern mit 500 Bauarbeitern den Einstand

Es ist immer schön, wenn man zu einem Fest einlädt und alle kommen. Bei Diego Armando Maradona etwa war das keinesfalls so. Als der weltbeste Fußballer der 80er-Jahre vor vier Wochen sein Abschiedsspiel in Buenos Aires austrug, waren nur wenige der geladenen Prominenten erschienen. Mit dem 41-jährigen Enfant teribble wollte kaum einer in Verbindung gebracht werden.

Beim Tempodrom ist das natürlich anders. Zum einen, weil das Tempodrom erheblich jünger ist und keinen Abschied feiert, sondern vielmehr einen Neuanfang; zum anderen hat das Tempodrom viele Freunde. Zum heutigen Eröffnungsfest etwa sind neben Politikern und Prominenten auch alte Bekannte und neue Unterstützer geladen – darunter die fast 500 Bauarbeiter, die in den letzten Tagen alles getan haben, um das Unmögliche möglich zu machen.

Knapp 19 Monate dauerten die Bauarbeiten. Am Ende streckte sich ein architektonischer Wurf zum Firmament, der die Betrachter in zwei Fraktionen teilt. Eine Reminiszenz an das gerade abgerissene Ahornblatt in Mitte, sagen die einen. Eine Kathedrale der Off-Kultur hoffen die anderen. Fest steht, dass das Haus nicht nur die Skyline der Stadt bereichert, sondern vor allem ein fantasievoller Ort sein wird, an dem getanzt, gelacht und sogar demnächst gebadet werden kann. Dafür steht auch die heutige Eröffnungsfeier ein.

Wenn die Pforten des Tempodroms um 20 Uhr geöffnet werden, erwartet die Besucher eine Feier in drei Akten und unzählige Überraschungen. „Das neue Tempodrom soll in allen Ecken lebendig werden“, beschreibt Ulrich Simontowitz, der Regisseur des Premierenfestes, das Konzept. „Wir wollen zeigen, was für vielfältige Möglichkeiten in dem Gebäude stecken.“

Und das wird geboten: Begrüßt werden die Gäste im Foyer von Stelzenfiguren der Straßentheatergruppe Grotest Maru. Während an der Garderobe eine erste Klanginstallation ertönt, tritt in der kleinen Arena, auf der anderen Seite des Eingangsbereiches, der Sänger Victor Schefé mit Band auf.

Wer an der Foyer-Arena vorbeigeht, trifft rechter Hand auf die Seminarräume. Kommendes Jahr sollen hier Videokonferenzen stattfinden. Heute Abend aber zeigt DJ Genetic Drugs erst einmal mit Ambientklängen unterlegte Filmaufnahmen von Ritualen und Festen, Heilern und Schamanen aus der ganzen Welt. Ein kleines Stück weiter, in der hauseigenen „Lounge“, präsentieren derweil junge Designer der Esmod-Modeschule eine Kollektion neuester Entwürfe. Danach gibt es noch deutsche Chansons, ein wenig Slam Poetry und eine Prise Kreuzberger HipHop, bis allmählich die Eingänge zur großen Arena geöffnet werden.

Die kathedralenartige Kuppel ist zunächst noch festlich illuminiert, und der zweite Akt kann beginnen. Thema sind die vier Elemente des Lebens: Nach dem Motto „kein Tempodrom-Fest ohne Rüsseltier“ werden zunächst vier afrikanische Zirkuselefanten den Arenaboden erschüttern, während eine russische Akrobatin tief in ein Wasserbecken eintaucht und hoffentlich wieder hervorkommt. Von dort lenken Artisten am Trapez den Blick in luftige Höhen zur 32 Meter hohen Kuppel. Deren zwölf Fenster sollen am Ende des zweiten Aktes von einem Feuerwerk erleuchtet werden.

Im letzten Akt liegt es nun ganz in den Händen des Tanzorchesters Fanfare Ciocarlia, ob es gelingen wird, die Eröffnungsfeier in ein rauschendes Fest zu verwandeln. Sicher ist: Die zwölf Roma aus einem Dorf im Nordosten Rumäniens spielen einen solch treibenden Balkan-Brazz, dass man dazu am Besten mit einem Schnaps anstößt.

Wer sich mittels der rasanten Blasmusik noch nicht schwindelig getanzt hat, kann nach Mitternacht das Fest in der kleinen Arena im Foyer mit dem „Tribal“-Sound von DJ Genetic Drugs ausklingen lassen – „bis in die Morgendämmerung hinein“, verprechen die Veranstalter.

Übrigens: Genau dort, wo jetzt das Tempodrom am Anhalter Bahnhof steht, hat vor Jahren das Fußballteam der taz gelernt, den Ball möglichst lange in der Luft zu halten – der Rasen war so holperig, dass kein anderes Spiel möglich war. Bleibt zu hoffen, dass auch die Tempodrom-Macher den Ball fliegen lassen. Nicht nur bei der Eröffnung. ole