: Biowaffen außer Kontrolle
Die USA lassen die Konferenz in Genf platzen, da sie multilaterale Instrumente zur Rüstungskontrolle ablehnen. In einem Jahr soll weiterverhandelt werden. Die europäischen Staaten üben scharfe Kritik
aus Genf ANDREAS ZUMACH
Mit ungewöhnlich scharfer Kritik an den USA haben europäische Diplomaten auf das vollständige Scheitern der Konferenz über biologische Waffen am späten Freitagabend in Genf reagiert. „Die Amerikaner haben uns belogen, sie haben uns wie der letzte Dreck behandelt“, erklärte der Botschafter eines großen EU-Landes. Ein anderer EU-Diplomat kommentierte: „In Jahrzehnten multilateraler Verhandlungen sind wir noch niemals so erniedrigend behandelt worden.“
Zuvor hatte der stellvertretende US-Außenminister John Bolton die Delegationen der anderen 90 (von insgesamt 144) Vertragsstaaten der B-Waffenverbotskonvention von 1972 mit dem Antrag überrumpelt, die Verhandlungen der UNO-Abrüstungskonferenz über ein Abkommen zur Überwachung der Konvention abzubrechen. Die 1994 für diese Verhandlungen etablierte Arbeitsgruppe sei ersatzlos aufzulösen. Nach diesem Antrag vertagte sich die Genfer Konferenz ohne Ergebnis auf den November 2002.
Den von der UNO-Abrüstungskonferenz erarbeiteten Vertragsentwurf für ein striktes internationales Überwachungsregime mit gegenseitigen Kontrollen und Inspektionen von Forschungslabors und biomedizinischen Anlagen hatten die USA als einziges der 61 Konferenzmitglieder bereits im Juli abgelehnt. Zu Beginn der Genfer Konferenz am 19.November hatte Bolton diese Ablehnung bekräftigt. Statt den Vertrag – ähnlich wie beim Klimaschutzprotokoll von Kyoto – auch ohne die USA in Kraft zu setzen, bemühten sich daraufhin alle anderen Delegationen um akzeptable Kompromissvorschläge.
Insbesondere deutsche und britische Diplomaten betonten, es sei wichtig, die USA an Bord zu halten. Die EU schlug jährliche Konferenzen der 144 Vertragsstaaten der B-Waffenverbotskonvention vor sowie die Einsetzung von Expertengruppen zur Ausarbeitung alternativer Maßnahmen zur Überwachung.
Doch die US-Delegation lehnte sämtliche Vorschläge ab, die auf multilaterale Instrumente zur Rüstungskontrolle abzielten.
Bolton hatte in seiner Rede zum Auftakt der Konferenz dem Irak, Iran, Nordkorea, Syrien Libyen und Sudan vorgeworfen, durch den Besitz oder die Entwicklung von B-Waffen gegen die Konvention zu verstoßen. Auf die Einleitung des in der Konvention vorgesehenen Verfahrens zur Klärung derartiger Vorwürfe und zur Feststellung von Verstößen verzichtete Washington allerdings. „Wir haben die Beweise, das reicht uns“, erklärte Bolton. Mit ihrem Antrag vom letzten Freitag habe die Bush-Administration „eine Rakete auf die Konferenz abgefeuert und ihr den Todesstoß versetzt“, erklärte der tiefe enttäuschte Botschafter eines der engsten europäischen Nato-Verbündeten der USA.
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