: „Das ist kein Putsch gegen Angela Merkel“
Wolfgang Bosbach, stellvertretender Fraktionschef der CDU/CSU im Bundestag, zum Versuch, die Parteivorsitzende zum Verzicht zu drängen
taz: Herr Bosbach, was macht Edmund Stoiber im Rheinland so beliebt?
Wolfgang Bosbach: Dass Herr Stoiber ein erfolgreicher Ministerpräsident und ein erfolgreicher Vorsitzender der CSU ist, hat sich ganz sicher nicht nur bis ins Rheinland herumgesprochen, sondern bestimmt auch bis Flensburg. Ich habe überhaupt keinen Zweifel daran, dass die Popularität von Herrn Stoiber im ganzen Bundesgebiet groß ist.
Also ist das Rennen um die Kanzlerkandidatur entschieden?
Ich halte es nach wie vor für richtig, dass sich die beiden Parteivorsitzenden geeinigt haben, einen gemeinsamen Vorschlag zu unterbreiten.
Haben Sie denn eine persönliche Präferenz?
Ja. Aber ich werde mich dazu nicht öffentlich äußern. Ich war richtig stolz, dass es uns tatsächlich 72 Stunden gelungen ist, nach dem Dresdner Parteitag nicht über die Frage der Kanzlerkandidatur zu sprechen.
Kann denn Angela Merkel überhaupt noch antreten, nachdem sich führende Politiker aus ihrer eigenen Partei für Stoiber ausgesprochen haben?
Man muss doch denjenigen, der Edmund Stoiber lobt, nicht als Kritiker von Frau Merkel bezeichnen. Das gilt umgekehrt genauso. Wir sollten froh sein, zwei geeignete Kandidaten zu haben.
Es gleicht doch einem Putsch gegen Angela Merkel, wenn sie mehrere CDU-Ministerpräsidenten zu einem Verzicht drängen wollen.
Davon kann keine Rede sein. Wenn Peter Müller und andere keinen Hehl daraus machen, dass sie Edmund Stoiber für den erfolgversprechenderen Kandidaten halten, dann ist das kein Putsch gegen Frau Merkel. Dann ist das ein deutlicher Hinweis darauf, dass man mit dem Kandidaten bei der Bundestagswahl antreten sollte, von dem man glaubt, die größten Erfolgsaussichten zu haben.
Also Stoiber?
Davon gehe ich aus. Sonst hätten sie ja nicht diese Meinung geäußert.
Bisher gab es Zweifel, ob ein CSU-Mann Kanzler werden kann. Franz Josef Strauß ist 1980 gescheitert . . .
Strauß hat damals doch ein beachtliches Ergebnis erzielt. Wenn Edmund Stoiber das Wahlergebnis von Franz Josef Strauß erzielen könnte, wäre das für die Union ein herausragendes Wahlergebnis.
Wenn so viel für Stoiber spricht, sollte man sich dann nicht endlich festlegen und diese Debatte beenden?
Ich beklage, dass wir uns von morgens bis abends mit der so genannten K-Frage beschäftigen. Ich glaube, dass die Menschen in diesem Land ganz andere Sorgen haben. Die stehen doch nicht morgens auf und fragen sich, wer Kanzlerkandidat in der Union werden sollte. Die bewegen ganz andere Themen.
Welche denn?
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik im Mittelpunkt der Auseinandersetzung im nächsten Bundestagswahlkampf stehen wird. Dazu kommt sicher die Familienpolitik und wo möglich die Zuwanderung. Das wird sich in den nächsten Wochen zeigen.
Nach allen Umfragen wird Stoiber bei all diesen Themen mehr Kompetenz zugetraut.
Die Umfrageergebnisse sind bekannt. Leider wird aus ihnen nicht deutlich, welche hervorragende Arbeit Frau Merkel in den letzten Jahren in verschiedenen Funktionen geleistet hat. Aber man kann natürlich seine Entscheidung nicht ausschließlich nach Umfragen ausrichten. INTERVIEW: LUKAS WALLRAFF
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen