: Chatten für die Produktion
■ Uni Bremen: Das Computerspiel „Cosiga“ soll aus Einzelkämpfern Teamarbeiter machen
Achtung Klischee! Produktionstechniker und Ingenieure sind verschlossene Menschen, die es genau nehmen. Über Arbeitsergebnisse sprechen sie erst, wenn sie fehlerfrei sind. Das wird zunehmend zum Problem, wissen die Ausbilder. In den Ingenieurs- und Produktionswissenschaften haben sich die Anforderungen erheblich verändert.
„Nehmen Sie den Airbus. Die Flügel werden in Bremen gebaut, der Rumpf in Toulouse. Da muss unheimlich viel kommuniziert werden“, sagt Jens Hoheisel, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bremer Uni-Institut für Betriebstechnik und Arbeitswissenschaften (BIBA). Er und ein Kollege waren beteiligt an der Entwicklung einer Software, die die Kommunikation während solcher Arbeiten fördert. Sie heißt „Cosiga“. Auch Universitäten und Firmen in Finnland, Frankreich und England haben an dem EU-Projekt mitentwickelt.
Cosiga steht für Concurrent Engineering Simulation Game. Beim risikofreien Computerspiel sollen Studenten oder auch Betriebsangehörige lernen, dem Kollegen in Helsinki oder Liverpool rechtzeitig Bescheid zu sagen, wenn die Marktlage sich verändert hat oder die vom Designer gewünschte Lackfarbe nicht zu kriegen ist.
Entwickelt wurde das Prinzip der gleichzeitigen Produktion, – nichts anderes bedeutet „Concurrent Engineering“ – im amerikanischen Verteidigungressort. Bei „Cosiga“ geht es indes nicht um Waffen sondern um LKW. „Es ist euer gemeinsames Projekt. Das bedeutet, ihr müsst miteinander sprechen“, führt Jens Hoheisel zehn Maschinenbaustudenten in Sinn und Zweck des Computerspiels ein. Für die Pressevorführung bildeten gestern je fünf ein Team. Mögliche Rollen: Marketing-Manager, Einkäufer, Designer, Projekt- oder Produktmanager. Ziel ist es in diesem Fall, zehn neuartige Lastkraftwagen schnellstmöglich auf den Markt zu bringen. Marktanalyse, das Produktdesign, die Konstruktion und die Werkzeugherstellung, Phasen, die „in der alten Fabrik“ (Hoheisel) aufeinander folgten, sollen jetzt teils parallel stattfinden. Das spart Zeit und Geld. „Und damit hat sich das Berufsbild sehr verändert“, erklärt Hoheisel. „Ich kann nicht sagen, erst wenn die Marktanalyse gänzlich abgeschlossen ist, fang' ich an mit den Konstruktionsplänen“. Schief gehen soll aber trotzdem nichts, obwohl auf der Basis von Halbwissen Entscheidungen fallen.
Stress hatten die Maschinenbau-Studenten gestern schon nach kurzer Zeit. Anfragen von Team-Kollegen, die auf dem Bildschirm auflaufen, müssen rechtzeitig beantwortet werden. Projektreporte müssen erstellt werden, der virtuelle Zeitplan will eingehalten sein. Weil hier der Kollege nicht in Paris, sondern einen Stuhl weiter sitzt, spricht man eben dirket miteinander. Und wenn das Chaos ausbricht, berufen die Studis kuzerhand ein face-to-face-meeting ein, das am Stehtisch in der Mitte der Fabrikhalle des BIBA stattfindet. Pech nur, dass so ein Treffen in der simulierten LKW-Produktion als Dienstreise der Leitungsetage verbucht wird. Und das kostet nicht nur Geld, sondern auch Nerven und Zeit. „Stell mir nicht so viele Fragen, ich komm' ja nicht zum Arbeiten“, funkt der Projektmanager-Darsteller seinen Designer an. Elke Heyduck
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