Gelbe Karte für Rot-Rot

Tausende Berliner protestieren vor dem Roten Rathaus gegen die Sparpläne der künftigen rot-roten Koalition. Verdi-Chefin Susanne Stumpenhusen droht mit Streik, wenn Kitas privatisiert werden

von SABINE AM ORDE
und RICHARD ROTHER

Gewerkschaften, Lehrer- und Elternverbände gehen gegen die Sparpläne des künftigen rot-roten Senats im Bildungsbereich auf die Barrikaden. Mehrere tausend LehrerInnen, ErzieherInnen, Eltern, SchülerInnen und StudentInnen demonstrierten gestern vor dem Roten Rathaus für eine bessere Ausstattung von Kitas, Schulen und Unis sowie zukunftsweisende Konzepte in der Bildungspolitik. Zahlreiche Redner des „Aktionsbündnis Zukunft für Bildung“ warnten SPD und PDS davor, ihre Wahlversprechen zu brechen. Die GEW sprach von 10.000, die Polizei von 6.000 Teilnehmern.

Die Landeschefin der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di Susanne Stumpenhusen drohte gleichzeitig im taz-Interview mit Streiks, sollte der Senat an seinen Plänen zur Kita-Privatisierung festhalten (siehe Seite 22). Zugleich forderte Stumpenhusen den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) auf, das Gespräch mit den Gewerkschaften zu suchen. „Eine Tarifflucht durch Ausgründungen machen wir nicht mit“, sagte Stumpenhusen. Die Gewerkschaften würden sich dagegen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wehren. Ver.di strebt jetzt einen neuen Kita-Tarifvertrag an. Stumpenhusen: „Scheitern die Tarifverhandlungen, müssen wir im Notfall unsere Forderungen mit Streiks durchsetzen.“

Unterdessen warnten vor dem Roten Rathaus zahlreiche Redner unter einem Transparent mit der Aufschrift „Willkommen im Land der Dichter und Deppen“ davor, im Bildungsbereich zu sparen. „Wenn die rot-rote Koalition ihre Wahlversprechen nicht einhält, werden wir ihr die rote Karte zeigen“, rief der stellvertretende DGB-Chef Bernd Rissmann und fügte hinzu: „Unser Bündnis ist stark und kampfbereit.“ Auch die Elternvertreterin Heidemarie Eller forderte: „Herr Gysi, setzen sie sich für Bildung ein und reden sie nicht nur darüber.“

Mitglieder des Aktionsbündnisses übergaben Vertretern von SPD und PDS ein Manifest für die Bildungspolitik. Während die SPD die Hinterbänklerin Felicitas Tesch auf die Bühne schickte, die „Heuchler, Heuchler“-Rufe über sich ergehen lassen musste, kam für die PDS Gregor Gysi. Der versprach, dass es mit der PDS Kürzungen im Bildungsbereich nicht geben werde. In Bildung, so Gysi, müsse investiert werden, „und zwar auf einem anderen Niveau als es sich die Ampel vorgestellt hat“. Diese hatte während der inzwischen gescheiterten Koalitionsverhandlungen Einsparungen bei Lehrer- und Erzieherstellen sowie die vollständige Übergabe der bislang städtischen Kitas an die Wohlfahrtsverbände beschlossen. Nach Angaben von GEW-Chef Dieter Haase hat die SPD in den aktuellen, rot-roten Koalitionsverhandlungen erneut den Vorschlag gemacht, 300 Lehrer- und 1.300 Erzieherstellen einzusparen.

Unterdessen hat sich die Exlandeschefinder PDS, Petra Pau, auch bei rückgehenden Schülerzahlen gegen die Streichung von Lehrerstellen ausgesprochen. Die SPD dagegen will einen Teil der 2.150 freiwerdenden Lehrerstellen einsparen.