: Schütze Pinsel greift ein
Die Bundeswehr erhält künftig ästhetische Unterstützung von einem Schlachtenmaler
Seit feststeht, dass die Bundeswehr in den Krieg gegen den weltweiten Terror zieht, wappnet sich die Truppe mit Nachdruck für ihre neuen Aufgaben. Neben den militärischen Vorbereitungen müssen zahlreiche so genannte „einsatzbegleitende Maßnahmen“ getroffen werden. Außer der Organisation etwa von Diensten zur Betreuung von Soldatenangehörigen gehören dazu die Einrichtung von Testament-Schreibstuben, die Vermittlung von Patenschaften und Feldbrieffreundschaften zwischen Schulklassen und Soldaten oder auch die Planung der vom Reichsbund unterstützten Initative „Socken für die Truppe – deutsche Omas stricken für unsere Jungs“; eine Aktion, die übrigens von Joschka Fischer angeregt wurde und am 23. 12. mit einer Fernsehgala im ZDF startet.
Die Besetzung der Stelle eines Einsatzkünstlers gehört ebenfalls zu den flankierenden Maßnahmen. Dieser soll die deutschen Truppen bei ihren künftigen Out-of-Area-Einsätzen begleiten, um den Kampf gegen den Terror mit künstlerischen Mitteln abzubilden. Die Stelle wird über einen gemeinsam von Verteidigungsminister Rudolf Scharping und Staatskulturminister Julian Nida-Rümelin ausgeschriebenen Wettbewerb vergeben. Teilnehmen können bildende Künstler aller Sparten, vorausgesetzt sie besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit, haben einen Grundwehrdienst absolviert und das 47. Lebensjahr noch nicht vollendet. Eingereicht werden muss eine Auswahl aktueller Arbeiten. Eine Jury aus renommierten Kunstexperten sowie dem Künstler Lothar-Günther Buchheim, dem Liedermacher Wolf Biermann, dem Schriftsteller Peter Schneider und der Schauspielerin Uschi Glas wird dann im kommenden Jahr eine Wahl treffen.
Der benannte Einsatzkünstler wird automatisch in den Rang eines Stab-Künstlers erhoben und 6.000 Euro monatlich zzgl. der truppenüblichen Renten- und Sozialleistungen erhalten. Eine Uniform mit einem stilisierten Pinsel auf der Schulter wird ebenso gestellt wie sämtliche benötigten Materialien. Alle Werke, die der Einsatzkünstler während seiner Dienstzeit erarbeitet, gehen in den Besitz der Bundeswehr über und werden ab 2003 in regelmäßigen Wanderausstellungen in allen großen Truppenstandorten gezeigt.
Mit der Institution eines Einsatzkünstlers will die Bundeswehr laut ihres Kunstbeauftragten Generalmajor Röttger Rudel (45) „an die alte, aber aufgrund eines gewissen Mangels an Schlachten in den letzten Jahrzehnten hierzulande leider etwas in Vergessenheit geratene Tradition des Schlachtenmalers anknüpfen“. Offiziell bestellte Gefechtsmaler waren noch im Zweiten Weltkrieg in fast allen Armeen üblich. In der britischen Royal Army wird dieses Amt gar bis heute ungebrochen und mit großem Ernst gepflegt. Bewusst habe man, so Generalmajor Rudel, auf die klassische, aber recht martiale Amtsbezeichnung Schlachtenmaler verzichtet. Die Benennung Einsatzkünstler stehe für die eher sachlich-rationale, emotionslose Art moderner Kriegsführung, wie sie jetzt von den Armeen in der Allianz gegen den Terror gefordert wird.
Im Gegensatz zu berühmten Vorgängern, wie etwa Preußens wohl bedeutendstem Schlachtenmaler Herbert Roschlau (1818–1887) oder dem „Blutpinsler“ genannten Zeichner Richard von Fallbeyl-Rösten (1799–1848), werden von dem künftigen Einsatzkünstler der Bundeswehr keine dokumentarischen, kriegsschwelgerischen Darstellungen in Form etwa ölfarbentriefender und heroisierender Gemälde verlangt. „Den Part wollen wir dem Fernsehen nicht streitig machen“, merkt dazu der Bundeswehr-Kunstbeauftragte augenzwinkernd an. Auch blutrünstige Detailstudien im Stil etwa jenes heroischen Realismus, wie ihn der Dessauer Lackmaler Robold Schläger noch 1916 in Verdun zelebrierte, werden von einem modernen Einsatzkünstler nicht erwartet. Als „kritisch-künstlerische Aufarbeitung der militärischen Aktionen der Bundeswehr“ wird vielmehr das Tätigkeitsfeld des Einsatzkünstlers in der Wettbewerbs-Ausschreibung bewusst nüchtern und eher unbestimmt definiert. So hoffe man junge zeitgenössische, experimentierfreudige Künstler für das Genre der Kriegsmalerei zu interessieren und dieses neu zu beleben, so Rudel. Ohne dem Urteil der Jury vorgreifen zu wollen, würde er sich persönlich einen Vertreter einer nicht gegenständlichen Kunstrichtung als Einsatzkünstler wünschen. Auch einen Aktionisten oder Performance-Künstler könne er sich sehr gut für das Amt vorstellen. FRITZ TIETZ
Die Wettbewerbsunterlagen für die Stelle des Einsatzkünstlers sind bei der Kulturkammer der Bundeswehr in Konstanz erhältlich. Bewerbungen von Behinderten und Frauen sind erwünscht. Bewerbungsschluss ist der 31. 12. 2001.
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