: Kälte macht kurzen Protest
Auch in Berlin haben sich Studierende Ende der Woche den europaweiten Demos für bessereBildung und Chancengleichheit angeschlossen. An der FU kam es dabei zu zwei Polizeieinsätzen
von SUSANNE AMANN
Protestieren macht nicht immer Spaß. Auf jeden Fall dann nicht, wenn es minus acht Grad hat. Aber die Frage, warum die großen Revolutionen der Weltgeschichte immer im Winter stattfinden müssen, war nur ein kurzes Geplänkel am Rande, als gestern eine Abordnung von Studenten der Freien Universität (FU) der PDS einen offenen Brief mit Forderungen zu bildungspolitischen Themen übergab.
Hauptanliegen der Studierenden war die Aufforderung an die PDS, in den derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen mit der SPD ihre bildungspolitischen Vorstellungen stärker zu betonen. Nach den Vorstellungen der Studenten soll der neue Senat den Beschluss zur Zwangsexmatrikulation zurücknehmen, den Studenten das politische Mandat erlauben und die Rasterfahndung an den Universitäten stoppen.
Die Aktion war Teil der europaweiten SchülerInnen- und Studentenproteste, die diese Woche mit Aktionstagen gegen die Privatisierung von Bildung und für Chancengleichheit protestierten. „Wir protestieren hier zwar gegen unsere konkrete Situation vor Ort“, erklärte gestern Philipp Sandermann, Student an der FU, „aber gleichzeitig ist das, was hier passiert, doch nur ein Teilprozess in einer Gesamtbewegung.“ Deshalb formulierten die Studenten sowohl der FU als auch der Humboldt-Universität in ihren Resolutionen grundsätzlichen Protest: Ganz entschieden richten sie sich gegen die schleichende Privatisierung im Bildungssektor und sehen sich damit als Teil der Globalisierungskritiker, die sich gegen die Privatisierung vormals öffentlicher Güter wie Gesundheit oder Wasser aussprechen.
Vor der PDS-Zentrale am Rosa-Luxemburg-Platz gab es gestern wenig Konkretes von Benjamin Hoff, dem Sprecher der PDS für Wissenschaft und Forschung, der mit dem Hinweis auf die laufenden Koalitionsverhandlungen zu keinen konkreten Zugeständnissen bereit war. Aber es war immerhin ein friedlicher Austausch von Meinungen, was an der FU in dieser Woche schon zweimal schief gegangen war: Hier hatte die Polizei sowohl am Dienstag- wie auch am Mittwochabend friedliche Versammlungen von Studenten gestürmt. Dabei erhielten an beiden Abenden zwischen 70 und 80 Personen Strafanzeigen und Platzverweise. „Der Unirektor will damit jeglichen Protest sofort im Keim ersticken“, kritisierte gestern Anja Schippel vom Asta der FU gegenüber der taz. Ob die Unileitung die Anklagen aufrecht erhalten will, war gestern nicht mehr zu erfahren.
Aber auch außerhalb Berlins zu protestieren ist schwierig. Vor zwei Tagen hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin zwei Klagen gegen Ausreiseverbote mit der Begründung abgelehnt, das gewaltsame Auftreten von Berliner Globalisierungsgegnern schade dem internationalen Ansehen Deutschlands. Insgesamt hatte die Senatsverwaltung für Inneres in sieben Fällen Ausreiseverbote verhängt, wovon vier bestätigt und zwei abgelehnt wurden. Ein Fall ist nach Angaben eines Sprechers noch offen.
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