eu-truppe: Die Kriegslist des Obelix
Man gönnt Obelix seinen Coup. Nach sechs glanzlosen Monaten, dominiert von den Terroranschlägen auf die USA, hat der dicke belgische Außenminister im Handstreich eine Nachkriegstruppe für Afghanistan zusammengestellt. Louis Michel tritt – wie sein gezeichnetes Alter Ego – gern ins Fettnäpfchen. Aber er hat ein starkes Gerechtigkeitsempfinden und das Herz auf dem rechten Fleck. Ob seine Idee eines Skiferien-Boykotts in Österreich oder seine juristischen Ohrfeigen für Ariel Scharon – manch einer hat sich am linken Stammtisch Ähnliches ausgemalt. Aber am Stammtisch führt man eben nicht die außenpolitischen Geschäfte eines EU-Mitgliedslandes.
Kommentarvon DANIELA WEINGÄRTNER
Am Stammtisch würde man auch ganz locker von Abend zu Abend, je nach Gelegenheit, seine Meinung ändern – so wie Michel es jetzt tat. Erst kündigte er die Waffenbrüderschaft mit Österreich ganz und gar auf, als er während der finstersten Haider-Krise erklärte, keine gemeinsamen Manöver mit österreichischen Soldaten mehr durchzuführen. Doch genau mit diesen Soldaten will Michel nun gegen Tora Bora ziehen.
Kein Wunder, dass die österreichische Außenministerin Benita Ferrero-Waldner zunächst pikiert sagte, es sei noch gar nicht klar, wer sich an der Truppe unter britischem Oberbefehl beteiligen werde. Inzwischen allerdings sieht es so aus, als sei Michels Kriegslist aufgegangen. Hinter seine öffentlich geschaffenen Fakten können die anderen ohne Eklat kaum zurück.
Die Einheit Europas wäre damit ein gutes Stück voran gekommen. Denn der gemeinsame Nachkriegs-Einsatz in Afghanistan unter UN-Mandat wäre eine Übung in gemeinsamer Außenpolitik. Außerdem wäre er, da die EU-Truppe Nato-Ausrüstung nutzen soll, ein Präzedenzsfall, der sich nicht mehr aus der Welt schaffen lässt. Nach einem solchen Einsatz wäre es müßig, dass sich Griechenland und die Türkei weiter über die grundsätzliche Frage streiten, ob Nato-Equipment der EU überhaupt zur Verfügung stehen darf.
Für die geplante dauerhafte EU-Kriseneingreiftruppe hat Louis Michel damit einen guten Weg vorgezeichnet. Friedenserhaltend, den Wiederaufbau sichernd, eine gute Alternative zur Weltpolizei auf US-amerikanische Art bietend: Sie könnte künftig in Konfliktfällen eigenes Gewicht bekommen. Da soll bloß noch einmal jemand behaupten, ein Obelix bekäme nichts zu Stande, außer Hinkelsteine zu schleppen und Wildschweine zu füttern.
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