Der Familie bester Coach

Rudi Stumper trainiert beim Tischtennis-Bundesligisten TV Busenbach nicht nur seine Gattin Bao Di, sondern auch seine Tochter Laura. Die 17-Jährige spielt heute um den Gesamtsieg in der Europaliga

von HARTMUT METZ

Dass ehrgeizige Eltern ihren Nachwuchs triezen, um ihn zu Erfolgen zu treiben, die sie selbst nie erreicht haben, ist in der Welt des Sports gang und gäbe, man denke da nur an die vielen bekannten Beispiele, die der Tennis-Zirkus in netter Regelmäßigkeit hervorbringt, speziell der weibliche. Siehe die Damen Graf, Seles, Hingis oder die Furcht erregenden Williams-Sisters. Und selbst beim „kleinen“ Tennis, das seit rund 100 Jahren auf dem Tisch gespielt wird, gibt es mittlerweile ein solches Paradebeispiel, im Tischtennis heißt es Rudi und Laura Stumper.

Wobei das Modell ein ganzes Stück weit aus dem Rahmen fällt. Nicht nur, dass Rudi Stumper früher selbst ein exzellenter Tischtennisspieler war, der beim SSV Reutlingen mit Peter Stellwag und dem schwedischen Einzel-Europameister Mikael Appelgren zahlreiche Titel einheimste. Den 42-Jährigen unterscheidet von Peter Graf und Konsorten überdies, dass er beim Bundesliga-Aufsteiger TV Busenbach nicht nur seine Tochter Laura, sondern auch seine Ehefrau Bao Di (27) betreut. Das ist schon prinzipiell kein leichtes Unterfangen, wie Bao Di, die Nummer vier des badischen Teams, einräumt: „Wäre Rudi privat so wie im Training, hätte ich ihn nicht geheiratet!“, sagt sie, bevor sie abfedert: „Dass er nett ist, merkte ich erst später. Er war vorher schon sehr streng zu mir – wir haben uns aber dennoch verliebt.“ Da schmunzelt der frisch gebackene Ehemann, der die neue Rollenverteilung im Hause Stumper (Bao Di: „In der Halle ist er der Chef, zu Hause ich!“) klaglos akzeptiert. Selbst wenn Chinesisch auf dem Speiseplan steht. „Anfangs war ich gegen die chinesische Küche. Aber sie kocht sehr gut, und der Mensch ist ein Gewohnheitstier“, sagt der Trainer des Tabellenfünften mit einem Augenzwinkern und erträgt eheliche Unbilden wie „Shoppen gehen“.

Letzteres genießt auch Bao Dis zehn Jahre jüngere Stieftochter. Aber nicht nur deswegen sei das Verhältnis zwischen Laura Stumper und Bao Di „wie zwischen Freundinnen“. „Für mich hat sich nicht so viel verändert“, erzählt Laura Stumper, die schon aus Stuttgarter Zeiten die Situation kennt, mit ihrer Mutter Judith in einer Mannschaft zu spielen.

Schon mit elf war Laura Stumper reif für die zweite Bundesliga. In den Schüler- und Jugendklassen räumte sie wie keine Zweite alle Titel ab. „Ich habe sie zur erfolgreichsten Jugendspielerin Europas gemacht“, sieht der Papa seinen Nachwuchs auf den Spuren der deutschen Rekordnationalspielerin Olga Nemes, deren Vormundschaft er 1985 nach ihrer Flucht aus der gemeinsamen Heimat Rumänien übernommen hatte.

Heute (17 Uhr) spielt Laura Stumper mit Doppelpartnerin Tanja Hain-Hofmann sowie Nicole Struse (Kroppach) in Zagreb um den Gesamtsieg in der Europaliga. Dass das deutsche Team gegen Kroatien gewinnt, davon ist die 17-Jährige überzeugt. „Normalerweise sollte es für uns reichen. Tamara Boros kann auch nur höchstens zwei Einzel gewinnen“, bemerkt die Busenbacher Nummer zwei und lässt dabei durchblicken, dass sie trotz der Weltranglistenvierten durchaus mehr als einen deutschen 3:2-Sieg für möglich hält.

Für die 1,58 Meter kleine Tischtennisspielerin ist der Vater der Bezugspunkt. Selbst zwischen den Ballwechseln sucht sie häufig Blickkontakt. Rudi Stumper lässt sie an der Platte auch nur bei der Nationalmannschaft allein. Eindringlich raunt er ansonsten der Tochter zwischen den Sätzen Tipps zu. Dass sie es bei Bundestrainer Richard Prause lockerer hat als beim eigenen Vater, „akzeptiert“ Laura klaglos. Er sei von Kindesbeinen an ihr bester und wichtigster Coach gewesen, „denn die Bundestrainer wechseln ständig“.

Die vom Familienoberhaupt ausgegebenen Ziele hat sie ohnehin Wort für Wort verinnerlicht: „In den nächsten zehn Jahren die gleichen Erfolge zu erzielen wie in der Jugend“, zitiert die Jugend-Europameisterin und Top-12-Siegerin. Der Ehrgeiz treibt die 17-Jährige, die vor kurzem ihre eigene Bude bezogen hat, aber auch alleine an. Jeder verschlagene Ball im Training ärgert sie, genauso wie die häufig geäußerte Vermutung, ihr sei die Kindheit und das Lachen abhanden gekommen. „Ich drehe durch, wenn jemand sagt, ich schaue missmutig während eines Spiels drein“, überschlägt sich die Stimme der Jung-Nationalspielerin: „Das regt mich auf! Ich konzentriere mich. Soll ich beim Tischtennis etwa lachen? Die Leute kennen mich abseits der Platte doch überhaupt nicht.“

Die ungarische Weltklassespielerin Krisztina Toth, die heute in der Europaliga auf einen Ausrutscher ihrer Busenbacher Mannschaftskameradin hoffen muss, bricht eine Lanze für die Stumpers: „Der Unterschied zu Steffi Grafs Vater besteht darin, dass Rudi den Sport selbst kennt. Geschundene Kinder müssen, um etwas zu erreichen, sehr viel Druck aushalten. Diesen Druck sehe ich bei ihm nicht. Als ehemaliger Bundesligaspieler weiß er, dass tausend andere auch sehr viel trainieren.“