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Fata Morgana löst sich auf

■ Bremens einzige Reisebuchhandlung macht dicht. Landkartenfreaks müssen fortan nach Hamburg oder Hannover fahren – bis ein anderer Buchhändler die Lücke füllt

Sie führte Stadtpläne von Honululu neben topographischen Karten von Langeoog-Ost, hier fand sich der Kartenstoff für die Radtour durchs beschauliche Altmühltal ebenso wie für den Überlebenstrip im Himalaya. Am 29. Dezember ist Schluss: Fata Morgana, seit 18 Jahren Bremens einzige „Geographische Buchhandlung“, macht zu. Wer mit dem Finger in die Ferne schweifen und die Bergwelt der fünf Kontinente schon mal vorab im heimischen Wohnzimmer erkunden will, muss demnächst den Weg nach Hamburg oder Hannover auf sich nehmen.

Die virtuelle Welt der schreibtischgroßen Papierpläne am Rande des Viertels ist bereits jetzt nur noch in Bruchstücken vorhanden. Seit Firmeninhaber Thomas Wetzel Ende November den endgültigen Beschluss fasste, den Laden dichtzumachen, hat er knapp die Hälfte des ursprünglichen Bestandes an Karten und Reiseliteratur verkauft.

„Mit Reise kann man kein Geld mehr machen“, ist sich Verkäufer Andreas End sicher, der hier gut fünf Jahre lang orientierungssuchenden Kunden weltweit auf den rechten Weg verhalf.

Plötzlich ist hier tatsächlich nichts mehr, wie es vorher war. Einer Kundin, die sich auf der Suche nach einem Atlas hilfesuchend an ihn wendet, entgegnet er barsch: „Da kann ich sie nicht beraten – wir haben keine Atlanten mehr.“ Die Dame macht betroffen kehrt.

Mit der ausbleibenden Kundschaft habe der Laden schon seit einiger Zeit Probleme gehabt, sagt End. Aus seinen Worten klingt Enttäuschung. Für die Flaute im Geschäft macht er in erster Linie die großen Universal-Buchhandlungen verantwortlich: „Reiseführer, die es vor fünf Jahren nur hier gab, kriegen sie jetzt sogar einfach bei Karstadt.“ Die weltpolitische Situation habe im Herbst dann für einen weiteren Einbruch gesorgt. Der Bereich der Fernreisen, für die Karten-Verhökerer im Spätjahr überlebenswichtig, sei völlig weggebrochen. End: „Wenn man Pech hat, dann läuft das noch weiter so mit diesen Krisen.“

Focke Wortmann, Geschäftsführer des Landesverbandes der Verleger und Buchhändler Bremen-Unterweser, sind die Probleme der kleineren Buchläden bekannt. „Die großen Ketten ziehen erhebliche Kaufkraft an sich.“ Das treffe die Reisebuchhandlungen in besonderem Maße.

Zwar könne kein normaler Buchladen dieselbe Auswahl an Landkarten bieten wie diese, von den Karten alleine könne allerdings auch keiner leben. „Karten sind ja inzwischen billiger als Taschenbücher“, bemerkt Andreas Götze von der gleichnamigen Hamburger Reisebuchhandlung dazu.

Dort setzt man daher neben den bunten Plänen inzwischen auf begleitende Angebote wie Last-Minute-Flüge und auch Reise-Accessoires.

Landesverbandschef Wortmann nimmt den Niedergang des Bremer Fata Morgana trotz allem gelassen: „Die Reisewelt geht ja deshalb nicht unter.“ Die meisten Kunden seien zudem mit dem begrenzten Angebot an Karten, das überall zu finden sei, zufrieden.

Wanderfreaks auf der Suche nach detaillierten Karten aus Neuseeland oder Fernosttouristen, die sich mit den in Reiseführern abgedruckten Übersichtskarten nicht begnügten, seien „die absolute Ausnahme“. Ausnahmen wie das Ehepaar, das in den Blätter-Resten der Fata Morgana blättert, „schnell noch mal hergekommen, um sich für den nächsten Urlaub einzudecken“. Eine kleine Hoffnung kann Wortmann ihnen dennoch machen. Schließlich sei nicht auszuschließen, dass einer der verbleibenden Bremer Buchhändler in die Reise-Lücke springt. hoi

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