: Der Fisch stinkt vom Kopf her
■ Auf dubiose und eventuell strafbare Weise hat Bremerhaven versucht, sich seines obersten Finanzkontrolleurs zu entledigen. Nun will es keiner gewesen sein
Auf äußerst eigenartige Weise hat man in Bremerhaven versucht, den ungeliebten Leiter des Rechnungsprüfungsamtes Rainer Mattern loszuwerden. Gegen den Amtsleiter läuft seit zweieinhalb Jahren ein Disziplinarverfahren. Wie der Online-Dienst www.nordsee-kurier.de meldet, wurde ihm vor einem Jahr ein Vertrag unterbreitet, der eine Einstellung des Disziplinarverfahrens und die Beförderung in Aussicht stellte.
Im Gegenzug sollte Mattern auf einen Teil seiner Amtspflichten verzichten und sich nachweisbar auf alle Stellen bewerben, für die er qualifiziert ist. „Politische Lösung“ nennen diesen Versuch die einen, „Bestechungsversuch“ die anderen.
Zur Vorgeschichte: Seit 1999 läuft gegen Mattern ein Diszipli-narverfahren. Er soll Akten aus dem Ausländeramt für private Zwecke angefordert haben. Ein Strafverfahren in der gleichen Sache wurde inzwischen eingestellt. Aber das Disziplinarverfahren geht weiter. Nach endlosen Termin-Querelen soll es im Januar nun endlich in die heiße Phase gehen. Angeblich wollen alle Beteiligten nur ein schnelles Ende.
Das wollte man vor einem Jahr offensichtlich viel einfacher haben: Die Fraktionsführer von SPD und CDU, Klaus Rosche und Paul Bödeker, trafen sich zu einem „Schlichtungsgespräch“ mit Mattern.
Im Verlauf des Gesprächs soll Rosche den umstrittenen Vertrag aus seiner Tasche gezogen haben, unter dem neben Mattern auch für OB Schulz und den Stadtverordnetenvorsteher Artur Beneken Unterschriftsplätze reserviert waren. Beneken soll Mattern in dem Vertrag ausdrücklich als weisungsberechtigt anerkennen und auf die gesetzlich vorgeschriebene „rechtliche Bewertung“ seiner Prüfergebnisse verzichten.
Außerdem soll er Beneken gegenüber nachweisen, dass er sich auf alle in Frage kommenden Stellenangebote bewirbt – „nicht nur in Prüfungsämtern.“ Dafür wird die Einstellung der disziplinarischen Ermittlungen als „Basis für einen Neuanfang“ in Aussicht gestellt und zugesagt, dass Schulz die seit langem fällige Beförderung in die Besoldungsgruppe A 15 „einleitet“.
Der Haken: Schulz und Beneken wollen von dem Papier keine Ahnung gehabt haben. „Für mich ist das ein Non-Papier“, wiegelt der Oberbürgermeister mit unschuldiger Miene ab. „Ich habe mich auch nicht darum gekümmert, wer es geschrieben hat.“
Gleichzeitig versucht Schulz, den Inhalt des Vertragsentwurfs zu bagatellisieren: „Das ist doch nur eine Good-Will-Erklärung.“ Auch Beneken findet eigentlich nichts dabei: „Da stehen doch vor allem Selbstverständlichkeiten drin.“
Unklar bleibt weiterhin, wer das unmoralische Angebot eigentlich lancierte. Überbringer Klaus Rosche war gestern für die taz nicht zu erreichen, hatte aber der Nordsee-Zeitung am Tag zuvor gesagt, er könne sich nicht an das Papier erinnern.
Aber sein CDU-Kollege Bödeker erinnert sich genau an den Schreck, der ihn befiel, als er das Werk las: „Ich habe zu Herrn Mattern gleich gesagt: Das können Sie nicht unterschreiben.“
Gestern platzte Bödeker der Kragen angesichts des „kollektiven Gedächtnisschwunds“ in Bremerhaven: „Schulz und Beneken waren nachweislich im Bilde“, sagt der CDU-Fraktionschef.
Über den skandalösen Vertragsentwurf sei sogar ausgiebig im Koalitionsausschuss diskutiert worden – „in Anwesenheit von Hilde Adolf und Michael Teiser.“ Das sagt jedenfalls Bödeker. Zu Nachforschungen über den Ursprung des Papiers hat das offensichtlich niemand veranlasst.
Jan Kahlcke
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