Bittere Fernsehpillen

Arzt- und Krankenhausserien im Visier der deutschen Gesundheitsreformer

Die hysterischen Reaktionen der TV-Zuschauer verursachen erhebliche Kosten

Eine völlig neue Strategie, um die explodierenden Kosten im Gesundheitswesen in den Griff zu bekommen, hat der Bundesverband der deutschen Krankenkassen (BDK) gestern auf der Intensivstation der Kurklinik in Bad Zwischenahn vorgestellt. „Wir denken, dass wir endlich die Hauptursache für die steigenden Ausgaben identifiziert haben“, sagt Dr. Günther Simon, stellvertretender Vorsitzender des BDK. „Und wenn wir unser Vorhaben umsetzen, werden wir, vorsichtig formuliert, sensationelle Ergebnisse erzielen.“ Die Fachministerin Ulla Schmidt habe bereits ihre Zustimmung zum Umdenken signalisiert. Aber worum geht es eigentlich? Ins Blickfeld der Task Force Health Care Controlling geraten ist eine Institution, die bis jetzt als Hort der beispielhaften Vorsorge galt: das Fernsehen.

Ausgangspunkt der überraschenden Kehrtwende in der Gesundheitspolitik waren Untersuchungen des Vegetativen Bundessorgenamtes. Ein erstes Detail verrät Direktorin Dr. Ingeborg Brandes: „Wenn zum Beispiel in der Serie ‚In aller Freundschaft‘ jemand einen Herzinfarkt erleidet“, weiß die bekannte Leukozytenexpertin, „stürmen am folgenden Tag Tausende Versicherte die Arztpraxen und klagen über Schmerzen in der Brust.“ Diese hysterische Reaktion verursache, wie sich denken lasse, erhebliche Kosten, die man getrost sparen könne. Das gleiche Bild, ergänzt Pränatalpataphysiker Simon, sei zu beobachten, wenn es um Symptome für einen Schlaganfall oder den Ebolavirus gehe. Sogar ein spektakulärer Schädelbasisbruch in „Der Landarzt“ habe zu überfüllten Wartezimmern und Notaufnahmelagern geführt.

Im Visier der Fachleute sind aber nicht nur die Vorabend- und Prime-Time-Klassiker, sondern genauso Servicesendungen wie der „ARD-Ratgeber Gesundheit“, „Die Sprechstunde“ oder „Visite“: „Auch hier“, betont Streptokokkenkoryphäe Brandes, „stellen wir eine inflationäre Häufung von angeblichen Erkrankungen fest, sobald ein Thema im Fernsehen verhandelt wird.“

Als ersten Schritt beantragte die Kontrollkommission, sämtliche Wiederholungen und Fortsetzungen von Evergreens wie „Dr. Schwarz und Dr. Martin“, „Für alle Fälle Stefanie“, „Klinik unter Palmen“, „Praxis Bülowbogen“ und „Der Bergdoktor“ aus dem Programm zu nehmen. „Auch die Mutter aller deutschen Arztserien, die ‚Schwarzwaldklinik‘, wird nicht mehr auf dem Bildschirm zu sehen sein“, macht Zerebraldiagnostiker Simon die Tragweite der Entscheidung deutlich. Ganz oben auf dem Aktionsindex landeten die aktuellen Chartbuster „Alphateam – Die Lebensretter im OP“, „Herzschlag – Das Ärzteteam Nord“, „Medicopter 117 – Jedes Leben zählt“, die MDR-Serie „In aller Freundschaft“ und das „Klinikum Berlin Mitte“.

Dass diese Radikalkur eine bittere Medizin für die TV-Sender ist, dessen sind sich die Basisreformer selbstverständlich bewusst: „Aber in dieser Situation, wo es um die Erhaltung und Stabilisierung der deutschen Volksgesundheit geht“, kontert die Ayurvedaschnecke Brandes schon vorab die Einwände der Sendeanstalten, „kann man beim besten Willen keine Rücksicht auf die hohen Einschaltquoten nehmen.“ Auch das Kompromissangebot der Anbieter, in einem ersten Schritt des guten Willens auf die Serien „Krankenhaus Lichtenberg“, „OP ruft Dr. Bruckner“, „St. Angela“, „Freunde fürs Leben“ und „Nikola“ zu verzichten, sei bei weitem nicht ausreichend. Überdies, versucht Prostatapykniker Simon die Wogen zu glätten, komme durch die sukzessive Senkung der Lohnnebenkosten die Maßnahme auch den Sendern selbst zugute.

Aber nicht nur auf Seiten der Programmmacher formiert sich Widerstand. Auf große Bedenken aus dem Verteidigungsministerium trifft der radikale Schnitt auch bei den Serien, die das deutsche Fernsehen von unseren engsten Verbündeten, den USA, übernommen hat: „Chicago Hope“, „Emergency Room“ und „Polizeiarzt Dangerfield“, um nur drei zu nennen, sowie „Hallo Onkel Doc!“ und „L. A. Doctors“, um zwei weitere zu nennen, stehen auf der administrativen Agenda.

Eine Schonfrist soll jedoch Gerichtsmedizinern wie „Quincy“ eingeräumt werden, da es in diesem Subgenre ja ausschließlich um bereits Verstorbene geht. „Und die können sich ja nicht am nächsten Tag an ihren Hausarzt wenden“, fügt Syndesmosesyphilitikerin Brandes hinzu, und man ist versucht, um ihre Mundpartie ein verschmitztes Lächeln entdecken zu wollen.

Allerdings war aus dem Umkreis des Kongresses in Bad Zwischenahn zu vernehmen, dass eine einzige weitere Serie höchstwahrscheinlich im Programm bleiben wird, da die Gesundheitsminsterin persönlich zu ihren größten Fans zähle. Vorerst gerettet ist „Dr. Stefan Frank – Der Arzt, dem die Frauen vertrauen“. Schwester, den Tränentupfer bitte! DIETRICH ZUR NEDDEN