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Sie wissen nicht, was sie tun

Hertha BSC Berlin trennt sich wie erwartet von seinem Trainer – allerdings erst nach der Saison. Die verbleibende Zeit will Jürgen Röber für den Gewinn des DFB-Pokals nutzen

BERLIN taz ■ Der Saal im Dorset-Haus war am Mittwochvormittag ungewöhnlich prall gefüllt. Obwohl es diesmal nichts zu sagen gab zum nächsten Spiel, das ja erst nach der Winterpause stattfindet, drängten sich Fernsehkameras, Mikrofone und allerlei dazugehörige Medienvertreter dicht an dicht in der ehemaligen britischen Offiziers-Messe, in die Fußball-Bundesligist Hertha BSC Berlin geladen hatte zum letzten Geschäftstermin des Jahres. Seit Wochen hatten die Menschen in der Hauptstadt, nicht nur jene von der Presse, auf diesen Tag gewartet, und als sich nun Dieter Hoeneß, der Manager, daran machte, eine von ihm und Jürgen Röber, dem neben ihm sitzenden Trainer, unterzeichnete Erklärung zu verlesen, wurde es andächtig, beinahe atemlos still im Raum, zumindest für einen Augenblick. Und erst als Hoeneß beim wichtigsten Satz des Tages, vielleicht der ganzen Saison für Hertha angekommen war, entlud sich die Spannung im Blitzlicht-Gewitter der Fotografen, die alle das Bild zu dem Satz schießen wollten, der da lautete: „Wir haben beschlossen, dass unsere Zusammenarbeit am 30. Juni 2002 einvernehmlich beendet wird.“

Damit war endlich auch offiziell raus, was inoffiziell ohnehin schon jeder zu wissen glaubte: Dass Hertha und Röber ihre seit sechs Jahren andauernde und durchaus erfolgreiche Zusammenarbeit beenden; zuletzt hattes es ohnehin nur noch über den Zeitpunkt der Trennung Spekulationen gegeben. Auch der steht seit gestern nun fest – am Saisonende. „Beide Seiten war klar“, verlas Hoeneß weiter, „dass dann die Zeit gekommen ist, sich neu zu orientieren.“ Bis dahin wird Hertha auch einen neuen Trainer und Röber ganz sicher einen neuen Verein gefunden haben; beides soll bis gestern noch nicht der Fall gewesen sein. „So schnell wie möglich“ will Hoeneß nun allerdings die Fahndung nach einem Nachfolger für Röber einleiten.

Der könnte bei Hertha durchaus ein schweres Erbe antreten müssen, denn Jürgen Röber, der heute heiratet, hat in den verbleibenden fünf Monaten noch einiges vor mit den Kickern aus der Hauptstadt, die mit 32 Zählern auf Tabellenplatz sechs überwintern und im neuen Jahr weiter nach oben klettern wollen. Vor allem der DFB-Pokal scheint sich der 47-Jährige als sein letztes Ziel mit Hertha auserkoren zu haben. „Das ist mein größter Wunsch“, sagte Röber beinahe schwärmerisch, auch einem dringlichen Anliegen von Dieter Hoeneß wäre damit entsprochen: „Ich wünsche mir, dass Jürgen Röber Berlin so verlassen kann, wie er es verdient: als Sieger.“

Deshalb hätten die beiden in den Monaten September und Oktober, als sich Hertha „in einer kritischen Phase“ – nämlich auf Rang acht, was in Berlin längst nicht mehr als angemessen empfunden wird – befand und Röber mal wieder in der Kritik, beschlossen, „gemeinsam dieses sportliche Tief zu bewältigen“ – und sich am Saisonende dann zu trennen. Ein Vorhaben, das sich ehrbar anhört, zuletzt aber durch neun Spiele ohne Niederlage und 21 Punkte ziemlich ad absurdum geführt, aber doch nicht mehr revidiert wurde.

Letztendlich ließ das ja die Gemüter sich so erhitzen in den letzten Tagen: Dass Hertha sich ausgerechnet in einer solchen Phase des Erfolgs von Röber trennen würde. Und in die Kritik gerutscht ist dabei auch Dieter Hoeneß, den man mittlerweile als Trainermörder ausfindig gemacht und noch am Dienstag, beim 2:2 gegen St. Pauli, mit „Hoeneß raus“-Rufen bedacht hat.

Der Manager wehrt sich gegen Vorwürfe, seine Freundschaft zu Röber sei gebrochen („Das hört sich gut an, stimmt aber nicht“), seine Begründung für die Trennung bleibt dennoch vage: „Ohne dass wir sezieren, was die Gründe sind, können Sie sicher sein, dass wir wissen, was wir tun.“ Daran kann man auch Zweifel haben. FRANK KETTERER

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